Kein Fleisch, keine Nudeln, aber dafür viel Unmut. Seit Ende März gilt in Shanghai für viele Bewohner strikter Hausarrest. Ursprünglich sollte der Corona-Lockdown nur für vier Tage gelten, doch inzwischen wurde er auf unbestimmte Zeit verlängert. Menschen berichten, dass ihnen die Nahrungsmittel ausgehen.
Vom harten Lockdown betroffen sind auch rund 600 Schweizerinnen und Schweizer, die dort leben. Einer von ihnen ist SRF-Radiokorrespondent Martin Aldrovandi (44). Seit zwei Wochen sei er mit seiner Katze allein in seiner Wohnung eingesperrt, berichtet er Blick. Seine vier Wände darf er lediglich dann verlassen, wenn er zum Covid-Test aufgefordert wird.
Freude über Gemüselieferung
Sein grösstes Problem sei die Beschaffung der Lebensmittel, erzählt Aldrovandi. Am Tag zuvor habe er nach zwei Wochen endlich einen Fünf-Kilo-Reissack vom Nachbarschaftskomitee vor die Wohnungstür geliefert bekommen. Ein paar Tage zuvor sei ihm zudem ein Pack Gemüse gebracht worden: «Ich habe mich noch nie so über Gemüse gefreut.» Sonst lebt er von seinen Vorräten. In diesen Tagen droht ihm die Zahnpasta auszugehen, erzählt er.
In der chinesischen 26-Millionen-Metropole gab es am Dienstag erste Lockerungen des seit zwei Wochen geltenden Lockdowns. Manchen Einwohnern wurde gestattet, ihr Haus zu verlassen, um Besorgungen zu erledigen. In Aldrovandis Wohnquartier gilt aber weiterhin ein striktes Ausgehverbot.
USA ziehen Personal ab
Die US-Botschaft gab wegen des rigiden Lockdowns bekannt, Mitarbeiter aus Shanghai abzuziehen. Ein Sprecher der Botschaft teilte am Dienstag mit, US-Diplomaten hätten chinesischen Vertretern gegenüber «Bedenken über die Sicherheit und das Wohlergehen von US-Bürgern angesprochen».
Schweizer Diplomaten bleiben
Die Schweizer Vertretung bleibt dagegen vor Ort stationiert. Beim Schweizer Aussendepartement (EDA) heisst es auf Anfrage, dass das Schweizer Generalkonsulat wegen der Covid-Massnahmen für die Öffentlichkeit physisch geschlossen sei. Die Mitarbeiter seien aber normal am Arbeiten, die meisten im Homeoffice. Der Schweizer Generalkonsul verfügt zudem über einen Passierschein, um in den Büroräumlichkeiten zu arbeiten.
Der Unmut in der Bevölkerung über die aktuelle Situation in Shanghai wächst. In sozialen Netzwerken kursieren Videos, die zeigen, wie Menschen verzweifelt aus ihren Wohnungen schreien. Die Menschen protestieren damit gegen die drastischen Corona-Massnahmen.
Die Schweizer Diplomaten wollen in der aktuellen Situation die Bevölkerung unterstützen: «Das Konsulat setzt sich bei den zuständigen Behörden auf allen Ebenen dafür ein, dass die Lebensbedingungen unter den aktuellen Massnahmen verbessert werden», teilt eine EDA-Sprecherin mit.
Korrespondent bleibt vorsichtig
Trotz Null-Covid-Strategie erlebt China die grösste Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor zwei Jahren. Die allermeisten Fälle wurden in Shanghai entdeckt. Am Sonntag gab es dort mit 26'000 Fällen an einem Tag erneut einen Höchststand, insgesamt sind bereits 250'000 Infizierte gezählt worden.
Was will Aldrovandi tun, wenn es ihm denn wieder erlaubt wird, seine Wohnung zu verlassen? «Ich bleibe auch dann noch vorsichtig, ich werde sicher nicht als Erstes in eine Bar gehen.» Menschen, die in Shanghai positiv auf das Coronavirus getestet werden, müssen sich in staatliche Massen-Isolationszentren begeben. Die Zustände in denen werden teils als chaotisch überfüllt und unhygienisch beschrieben.