Die Lage an der Grenze zwischen Serbien und Kosovo ist explosiv. Serbien ist mit einem Militärkonvoi aufgefahren, zudem versuchen serbische Extremisten bei Jarinje, die kosovarische Grenze zu stürmen. Die von der Nato geführte Friedenstruppe, an der auch die Schweiz beteiligt ist, hat mit einem Stacheldraht den Durchgang blockiert.
Der kosovarische Premierminister Albin Kurti (47) und der serbische Präsident Aleksandar Vucic (52) gehen auch verbal aufeinander los. So nennt Kurti Vucic einen «Anführer krimineller Banden» und «Putins Mann auf dem Balkan».
Die Kfor-Friedenstruppe ist in Alarmbereitschaft. Oberst Egon Frank, der die deutschen Bundeswehrsoldaten führt, sagt gegenüber der «Welt», dass eine «andauernde Gefahr für eine Verschlechterung der Sicherheitslage in kürzester Zeit» bestehe. Und dafür könnte schon eine neue Aussage von Kurti oder Vucic reichen, um das Zünglein an der Waage zu spielen.
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Drohkulisse diesmal heftiger
Trotz der Spannung halten aber Balkan-Experten einen offenen Krieg für eher unwahrscheinlich. «Denn dann müsste sich Serbien mit der Nato-geführten Friedenstruppe Kfor anlegen», sagt Konrad Clewing (55) vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung gegenüber Blick.
Und Daniel Bochsler (43), Politikwissenschaftler an der Central European University und der Universität Belgrad, sagt: «Es ist alarmistisch, einen Krieg im klassischen Sinne heraufzubeschwören.» In den letzten Jahren sei es immer wieder zu Eskalationen nach einem ähnlichen Muster gekommen, ergänzt Bochsler. Allerdings seien Tonalität und die Drohkulisse dieses Mal schärfer als sonst.
Bochsler: «Belgrad zeigt sich viel weniger konstruktiv. Und in diesen Tagen irritiert nicht nur der Aufmarsch von nationalistischen Banden an der Grenze, sondern auch die vermutlich missbräuchliche Festhaltung der Politikerin Rada Trajkovic durch die serbischen Sicherheitskräfte.»
Auf der andern Seite poche der kosovarische Premierminister Albin Kurti auf eine rechtsstaatliche Lösung des Konflikts, und die Durchsetzung der kosovarischen Rechtsordnung im Norden Kosovos. Bochsler: «Damit verkleinert Kurti den Spielraum für die bislang geltende Kompromissformel, wonach beide Seiten eine teils ungeklärte Situation akzeptiert haben.»
Druckmittel gegenüber der internationalen Gemeinschaft
Hinter den Spannungen liegt laut Bochsler politisches Kalkül beider Staaten. Er erklärt: «Die internationale Gemeinschaft, und notabene die USA, drängt auf eine rasche Verhandlungslösung. Und je angespannter die Lage, desto mehr Konzessionen können die beiden Regierungen erwarten.»
Die beiden Regierungen erhofften sich nicht nur Konzessionen bezüglich des Status des Kosovos und des von mehrheitlich Serben bewohnten Nordkosovos. Bochsler: «Die serbische Regierung erhofft sich auch, dass der Westen etwas grosszügiger wegschaut bezüglich innenpolitischer Fragen wie Korruption, Mafia-Verbindungen, Repression gegenüber den Medien, Demokratie und der Beziehung zu Russland.»