Im Dezember und Januar hat sich auf dem Balkan der Konflikt zwischen Serbien und Kosovo hochgeschaukelt. Das serbische Militär wurde in Alarmbereitschaft versetzt, die kosovarische Reaktion folgte prompt. Am Samstag sollen sich die beiden Staatsoberhäupter Aleksandar Vucic (53) und Albin Kurti (47) in der nordmazedonischen Stadt Ohrid die Hand reichen.
Dort soll ein von der EU vorbereitetes Abkommen unterzeichnet werden. In diesem sollen die kosovarischen und serbischen Grenzen von beiden Seiten akzeptiert werden. Und: Es sollen Botschaften in den jeweiligen Hauptstädten eröffnet werden. Dass Serbien Kosovo als souveränen Staat anerkennt, wird ausgeklammert.
Es gehe nicht darum, dass jemand gewinne oder verliere, so Miroslav Lajcak (59), EU-Beauftragter für den Dialog zwischen den Ländern. «Das Ziel ist es, eine Win-win-Situation zu finden und die europäische Tür zu öffnen.» Denn beide Länder haben zum Ziel, irgendwann der EU beizutreten.
Daniel Bochsler (43), Politikwissenschaftler an der Central European University und der Universität Belgrad, erklärt im Gespräch mit Blick: «International erhofft man sich, dass die beiden Seiten über den Krieg sprechen und die Vergangenheit gemeinsam aufarbeiten.» Kurzum: Ein Versöhnungsprozess soll beginnen.
Für Belgrad und Pristina ist das Treffen am Samstag ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung – «gelöst ist aber noch gar nichts», so Bochsler. Vor 15 Jahren hat Kosovo seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt, seither hat sich die Lage nie stabilisiert, wie die brenzlige Lage im Dezember gezeigt hat.
Laut Bochsler gibt es vor allem etwas, was Kurti und Vucic klären müssen: «Es gibt noch immer riesige Probleme, welche die Bevölkerung tragen muss.» So gibt es gegenseitige Probleme mit der Anerkennung von Schulabschlüssen und immer wieder neue Komplikationen, die die Reisefreiheit einschränken. Auf der anderen Seite hat die serbische Minderheit im Kosovo Angst, ihre politischen Rechte zu verlieren.
«Was auch immer am Samstag beschlossen oder nicht beschlossen wird, es wird weiter zu Eskalationen kommen», ist sich Bochsler sicher. Solche gab es auch in den letzten Jahren wieder, und von einem Abkommen bis zu dessen Umsetzung ist es ein weiter Weg.
Serbische Gemeinde im Kosovo grosser Knackpunkt
Für eine offizielle Anerkennung von Kosovo durch Serbien gibt es laut Bochsler noch zu viele Knackpunkte. Einer davon sind die serbischen Gemeinden im Kosovo. Im Brüsseler Abkommen, das 2013 von beiden Seiten unterzeichnet wurde, ist vorgesehen, dass es eine Gemeinschaft von Kommunen mit serbischer Mehrheit geben solle. «Kosovo hat aber Angst vor einer Art föderalen Einheit im eigenen Land», erklärt Bochsler. Die Angst vor einem «trojanischen Pferd» ist zu gross. Serbien wiederum möchte diese Union mit möglichst weitgehenden Rechten ausstatten.
Beide Staatsoberhäupter haben sich im Februar für eine Unterzeichnung des Abkommens ausgesprochen. Doch Bochsler ist unsicher, ob man sich auch daran halten wird. Schon frühere Abkommen – wie das Beispiel von 2013 zeigt – wurden nicht durchgezogen.
«Gut möglich, dass beide Seiten neue Probleme als Ausrede nutzen werden, sich nicht an den Vertrag zu halten.» So könne man weiter an Lösungen arbeiten. Eine Lösung zu finden, die allen zu 100 Prozent passt, wird sich schwierig gestalten. Doch Bochsler hält auch fest: «Der internationalen Gemeinschaft ist jede Lösung besser als keine Lösung.»