Auf einen Blick
Gerade mal vier Minuten ging es, bis die Rede von Donald Trump (78) zur Lage der Nation vor dem versammelten amerikanischen Parlament unterbrochen werden musste. Al Green (77), ein demokratischer Abgeordneter aus Texas, wollte nicht aufhören, mit seinem Gehstock in der Hand gegen Trump zu wettern. Green wurde rausgeworfen (ein äusserst seltener Vorfall), das Gekeife zwischen Trump und der demokratischen Hälfte seines Publikums aber nahm kein Ende.
Genau 100 Minuten dauerte Trumps Monster-Rede, zwölf Minuten länger als Bill Clintons (78) bisherige Rekord-Ansprache vor 25 Jahren! Fünf Momente stachen heraus.
Selenski hat Trump einen Brief geschrieben
Das öffentliche Zerwürfnis zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (47) im Weissen Haus vergangene Woche gilt jetzt schon als Zäsur im Ukraine-Krieg. Trump machte den Gast aus Kiew zur Schnecke und stoppte kurz darauf alle US-Militärhilfen für die Ukraine. Jetzt aber scheinen sich die Wogen geglättet zu haben.
«Präsident Selenski» (man merke: seinen «Diktator»-Vorwurf will Trump nicht wiederholen) habe ihm einen Brief geschrieben. «Die Ukraine ist bereit, so rasch wie möglich an den Verhandlungstisch zu kommen», sagte der US-Präsident. Selenski habe ihm für seine «starke Führung» gedankt und seine Bereitschaft erklärt, den geplatzten Rohstoff-Deal zu unterzeichnen. «Ich schätze es, dass er mir diesen Brief geschickt hat.»
Der «barbarische Konflikt», dem «Millionen» zum Opfer gefallen seien (eine von Trump oft wiederholte Übertreibung), müsse enden, sagte Trump – ohne Russland die Verantwortung für seinen Angriff auf das Nachbarland zuzuschieben. Er habe «starke Signale» aus Russland erhalten, dass man bereit sei für den Frieden.
Trump macht Ernst mit Deportationen
Seine Wahlkampf-Ankündigung, «Millionen von Migranten» deportieren zu wollen, versetzte das linke Amerika in Angst und Schrecken. Doch Trump scheint an seinem Versprechen festzuhalten. Über kein anderes Thema sprach er in der Nacht auf Mittwoch länger als über die «Invasion illegaler Migranten».
Einen Achtungserfolg kann Trump diesbezüglich bereits vermelden: Die illegalen Grenzübertritte in die USA sanken im Februar auf einen Rekord-tiefen Level (8326 gegenüber noch 47'000 im Dezember). «Es stellt sich raus, dass wir zur Behebung des Problems keine neuen Gesetze, sondern nur einen neuen Präsidenten brauchen», hielt Trump fest. Ein klarer Seitenhieb an die Demokraten, die 2024 versuchten, die Migrationsgesetze zu verschärfen, was Trump aus wahlkampftaktischen Gründen verhinderte.
In seiner Ansprache forderte Trump mehr Geld vom Parlament, um die geplanten Deportationen durchzuführen. Da haperts nämlich noch. Im Februar deportierten die USA 37'660 Migranten, rund 20'000 weniger, als das Biden in einem durchschnittlichen Monat tat.
Bruch mit Musk? Ganz und gar nicht!
Es ist das heisseste Gerücht in Washington: Die geopolitische Milliardärsaffäre zwischen Trump und seinem Effizienz-Departement-Chef Elon Musk (53) wird täglich aufs Neue für tot erklärt. Zwei egomanische Gockel seien einer zu viel im Weissen Haus, so der Tenor. Doch offenbar hängt der Haussegen zwischen Musk und Trump ganz und gar nicht schief.
Gleich zweimal peitschte Trump das Parlament zu Standing Ovations an, um Musk oben auf der Zuschauertribüne zu würdigen. Dank seines Wirkens entdecke die USA täglich desaströse Ausgaben, die man stoppe. Trump erwähnte etwa die acht Millionen Dollar, die man für LGBTQ+-Projekte in Lesotho («ein Land, von dem noch nie jemand gehört hat») ausgegeben habe, bis Musk das stoppte. Das alleine reicht noch nicht, um die inzwischen auf 36 Billionen Dollar angewachsene Staatsverschuldung der USA zu korrigieren. Zur Erinnerung: 8 der 36 Billionen gehen auf das Konto von Trumps erster Amtszeit.
13-jähriger Bub sorgt für Tränenmoment
«Great television», darum gehts dem einstigen Profi-Entertainer letztendlich. Das sagte er nach dem Selenski-Eklat im Weissen Haus. Und das zeigte sich erneut während seiner Ansprache. Trump stellte dem Publikum den 13-jährigen Devarjye Daniel vor, dessen grosser Traum, Polizist zu werden, von einer Gehirntumor-Diagnose zerstört worden ist.
Mithilfe seines Vaters hat der Junge in den vergangenen Jahren mehrere Ehren-Polizisten-Auszeichnungen von verschiedenen amerikanischen Polizei-Departementen erhalten. «Ich erkläre dich hiermit offiziell zum Ehren-Agenten des US Secret Service», verkündete Trump dem anwesenden Buben live. Einer der wenigen Momente, während denen das zerstrittene Haus sich einig schien: Dafür lohnt sich das Klatschen.
Europa ist ihm egal
Europa? Das hat Trump (mit Ausnahme der Ukraine) ein einziges Mal explizit erwähnt: Als er (fälschlicherweise) behauptete, die EU habe seit Kriegsbeginn mehr Geld für russisches Gas und Öl ausgegeben als für die Ukraine. Für 2024 ist die Feststellung schockierenderweise korrekt, nicht aber für die gesamte Kriegsdauer.
Abgesehen von neuen Zoll-Androhungen an Europas Adresse (Trump zeigt sich unbeeindruckt vom Mini-Börsencrash, den seine neuen Zölle gegen Mexiko und Kanada Anfang Woche ausgelöst haben) aber scheint ihm die Alte Welt schnuppe zu sein. Nur Grönland hat er weiter im Auge. Er wiederholte seine Einladung an die 56'000 Bewohner des Eilands, sie seien jederzeit willkommen, wenn sie gerne zu Amerika gehören würden. Den netten Worten schickte er den bedrohlichen Satz nach: «Wir werden Grönland bekommen, so oder so.»