Die Bedrohung durch russische Truppen versetzt viele Ukrainerinnen und Ukrainer in Alarmbereitschaft. Experten gehen im schlimmsten Szenario davon aus, dass im Falle einer Invasion bis zu acht Millionen Menschen vertrieben werden könnten. Vor allem die Nachbarstaaten der Ukraine bereiten sich auf eine Flüchtlingswelle vor.
Auch die über 250 Schweizerinnen und Schweizer, die in der Ukraine registriert sind, machen sich für den Ernstfall bereit. Einer von ihnen ist Rolf Gygax (52). Zu Blick sagt er am Telefon: «Mein Auto ist vollgetankt, ich habe Bargeld bei mir und trage auch stets alle wichtigen Dokumente auf Mann.»
Gygax stammt aus Amriswil TG und arbeitete früher für die Maschinenbaufima Bühler AG in Uzwil SG. 2006 lebte er in Moskau, seit 2010 in Kiew, wo er inzwischen mit einer eigenen Firma Teile für den Schweizer Baumarkt herstellt und so Arbeit in die Dörfer bringe, wie er sagt.
Flucht in Autokonvoi
Zurzeit sei die Situation vor allem eine Belastung für die Psyche. «Man weiss nie, ob in den nächsten zwei Stunden die Invasion beginnt», sagt er. Für einen Schweizer, der nie eine solche Bedrohung erlebt habe, sei dies «irreal».
Im Falle einer Invasion würde er mit Freunden in einem Autokonvoi in die Westukraine fahren. «Wir haben auch schon einen Treffpunkt in der 360 Kilometer entfernten Stadt Ternopil vereinbart», sagt Gygax. Dort lebe ein Freund, der sich auf die Ankunft von 20 bis 30 Personen vorbereite. «Hier könnten wir schlafen und wenn möglich auch die administrative Arbeit für die Firma weiterführen.»
Das Land verlassen würde er nicht. «Davonzurennen, wäre unfair und würde die Leute nur noch mehr verunsichern», sagt Gygax.
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Er ist erstaunt, wie gelassen die Ukrainer die Gefahr nehmen. «Viele haben gar keinen Plan, wenn etwas passiere würde. Sie sind vom langjährigen Krieg abgestumpft, der schon herrscht.» Erst nachdem er seinen Freunden eine Standpauke gehalten habe, hätten sie sich über einen Fluchtplan Gedanken gemacht.
Flucht in Richtung Schweiz
Eine Ukrainerin, die sich ebenfalls auf eine Flucht vorbereitet, ist Elena Sabada (41) in Kiew. Die Geschäftspartnerin eines Schweizers ist CEO einer Firma, die Anlagen für die Pharmaindustrie in den gesamten russischsprachigen Raum verkauft. Auch sie tankt ihr Auto jeden Abend wieder voll. «Ich habe mir zudem eine Liste gemacht, was ich im Ernstfall einpacken und unternehmen muss», sagt sie zu Blick.
Sie erzählt weiter, dass man von der Bedrohung in den Strassen der Hauptstadt nichts wahrnehme. Nur am TV und im Internet ist der drohende Krieg ein Thema. «Was man liest und was man selber erlebt, ist wie ein grosser Widerspruch.»
Bei einer Invasion würde sie mit ihren beiden Töchtern (14 und 3) im Auto Richtung Ungarn fliehen. Fernziel wäre die Schweiz: «Von beruflichen und privaten Reisen her kenne ich das Land sehr gut und habe da auch Freunde, die uns bestimmt vorübergehend ein Zimmer anbieten würden.»