Am Wochenende wählen die Russinnen und Russen ein neues Parlament, die Duma. Schon jetzt warnen die Kreml-Kritiker vor Manipulationen der Wahlen zugunsten der Partei Einiges Russland, die hinter Präsident Wladimir Putin (68) steht. Iwan Schdanow, ein Vertrauter des inhaftierten Kremlkritikers Alexej Nawalny (45), sagt, dass er einen «kolossalen Betrug» erwarte.
Janis Kluge (38), Russlandkenner bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, schätzt, dass es bei rund 90 Millionen Wahlberechtigten rund zehn Millionen gefälschte Stimmen geben wird. Dabei würden Wahlfälschungen nicht nur in Moskau vorgenommen, sondern es wird auch Druck auf regionale Gouverneure und Behörden gemacht.
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So ist zum Beispiel auf einer geleakten Telefonaufnahme zu hören, wie eine hochrangige Beamtin der Moskauer Satellitenstadt Koroljow ihre Leute anweist, ein Resultat von 42 bis 45 Prozent für die Kremlpartei Einiges Russland sicherzustellen. Da alles «sauber aussehen» müsse, dürften als Wahlbeobachter «nur unsere Leute» den Urnengang überwachen.
Das sind die Tricks
Ausschluss: Praktisch alle Kandidaten, die in Beziehung zu Oppositionellen stehen, wurden von der Wahl ausgeschlossen. Nawalnys Gruppierungen wurden zu extremistischen Organisationen erklärt und damit dem IS gleichgesetzt.
Sonderzahlung: Kurz vor den Wahlen hat Putin eine Sonderzahlung für rund 1,7 Millionen Staatsdiener angeordnet. Klar, für wen die stimmen werden.
Ferienzeit: Die Wahlen finden nicht wie früher jeweils im Dezember, sondern schon im September statt. Dann sind die meisten Leute noch in den Ferien und denken nicht an die Politik.
Köder: Kernwähler der Partei Einiges Russland werden mit Geschenken oder Geldbeträgen von 100 bis 150 Euro dazu geködert, ihre Stimme für die richtige Partei abzugeben.
Ohne Kontrolle: Die Wahlen dauern vom 17. bis 19. September. Niemand kontrolliert, was mit dem Inhalt der Wahlurnen nachts passiert. Laut Janis Kluge wurden Videoüberwachungen zurückgefahren, Aufzeichnungen gebe es nicht.
Online-Manipulation: Zum ersten Mal gibt es die Möglichkeit, online zu wählen, was mit grossen Gewinnen wie Wohnungen und Autos beworben wird. Oppositionelle gehen davon aus, dass elektronisch abgegebene Stimmen einfacher zu fälschen sind.
Blockierung: Nawalnys Internetseite «Smarte Abstimmung» wurde blockiert. Sie hatte Nutzer unterstützt, jene Kandidaten zu wählen, welche die grössten Chancen auf einen Sieg gegen das «Geeinte Russland» hat. Die Behörden hatten zuvor den Internet-Suchmaschinen Google und Yandex untersagt, den Begriff «Smarte Abstimmung» in Suchergebnissen anzuzeigen.
Verhinderung: Die russischen Behörden haben die Arbeitsbedingungen für Wahlbeobachter massiv eingeschränkt und eine Einreise von nur gerade 60 Personen erlaubt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) verzichtet daher auf eine Entsendung.
Druck: Viele Arbeitgeber von Staatskonzernen üben Druck auf die Angestellten aus oder fahren sie sogar mit eigenen Bussen zu den Wahlurnen.
Viele gehen gar nicht wählen
Laut Janis Kluge wird die Wahlbeteiligung tief sein. Nicht nur, weil noch viele Wählerinnen und Wähler in den Ferien weilen, sondern auch, weil sich die Russen gar nicht dafür interessieren. Denn sie wissen: Ändern wird sich sowieso nichts.
Für Kluge ist, wie er an einem Online-Vortrag der deutschen Union Stiftung sagte, auch klar: «Putins Partei wird die Wahlen gewinnen. Einerseits herrscht gegenüber seinem System eine grosse Loyalität, andererseits lässt er es gar nicht zu, dass es Alternativen gibt.»
Präsident Putin selber ist nicht Mitglied der Partei Einiges Russland. Er wird am Wochenende auch nicht gewählt, die nächsten Präsidentschaftswahlen finden 2024 statt.