«Schmarotzer» und «erbärmliche Trittbrettfahrer» – die US-Regierung beleidigt Europa
Warum hassen die Trump-Anhänger Europa dermassen?

Die Veröffentlichung eines geheimen Chat-Verlaufs zeigt: Die amerikanische Regierung hasst Europa immer mehr. US-Experte Philipp Adorf erklärt, warum das auch mit dem Lebensstil zu tun hat und warum die Schweiz ausgenommen ist.
Publiziert: 26.03.2025 um 15:10 Uhr
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Aktualisiert: 26.03.2025 um 17:38 Uhr
Gehen zu Europa auf Distanz: Donald Trump und sein Vize J. D. Vance.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Darum gehts

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Guido FelderAusland-Redaktor

Donald Trump (78) und Europa – eine Liebesgeschichte war das nie. Nur: Mittlerweile ist aus der kühlen Distanz eine offene Abneigung geworden. Die Wut der Amerikaner, die sich bisher in gehässigen Ansprachen und Strafzoll-Drohungen äusserte, bricht nach der Veröffentlichung eines geheimen Chat-Protokolls offen aus. Trump und seine Entourage beschimpfen die Europäer als «erbärmliche Trittbrettfahrer» und «Schmarotzer». Weshalb hassen die Trump-Anhänger Europa eigentlich dermassen? 

Erst noch waren die USA und Europa beste Freunde. Der Anfang Jahr zurückgetretene Präsident Joe Biden (82) sprach im Herbst 2024 von der hervorragenden transatlantischen Zusammenarbeit und nannte Deutschland «den wichtigsten Verbündeten» der USA.

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Als Donald Trump Wolodimir Selenski blossstellte und sich auf die Seite von Putin stellte, offenbarte sich der Hass gegenüber der Ukraine und Europa.
Foto: IMAGO/JIM LO SCALZO

Doch unter Trump ist diese innige Freundschaft definitiv zerbrochen. Das beweist die Veröffentlichung eines geheimen Gruppenchats von Mitgliedern der Trump-Regierung.

  • «Hass» – US-Vize J. D. Vance (40) hatte sich in diesem internen Chat gegen einen Schlag auf die Huthi-Rebellen im Jemen ausgesprochen. Grund: Der Angriff würde mehr den Europäern als den Amerikanern nützen. Vance schrieb: «Ich hasse es einfach, Europa schon wieder retten zu müssen.»

  • «Trittbrettfahrer» – auch Verteidigungsminister Pete Hegseth (44) schlägt in die gleiche Kerbe. Zu Vances Äusserungen sagte er: «Ich teile Ihren Hass auf die europäische Trittbrettfahrerei voll und ganz. Es ist erbärmlich.»

  • «Schmarotzer» – Trump selber antwortete auf die Frage, ob die Europäer Schmarotzer seien: «Ja, ich denke, die haben schmarotzt. Die Europäische Union war absolut schrecklich zu uns im Handel, schrecklich.»

  • «Undankbar» – vor wenigen Tagen hatte auch Trumps Sprecherin Karoline Leavitt (27) über Frankreich gelästert. Einem französischen Politiker, der scherzhaft die Rückgabe der Freiheitsstatue verlangte, sagte sie, Frankreich solle ihrem «grossartigen Land sehr dankbar» sein. Und sie ergänzte, in Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg: «Die Franzosen sprechen nur dank der Vereinigten Staaten von Amerika jetzt nicht Deutsch.»

Gegen europäische Verhältnisse

Der Hass auf Europa schlummerte schon vor Trumps Amtsantritt in Kreisen der Republikaner. Einerseits wird schon seit Jahren kritisiert, dass Europa von den US-Streitkräften als Sicherheitsgarantie profitiere und selber zu wenig in die Verteidigung investiere.

Andererseits geht es um die Wokeness. Philipp Adorf, USA-Experte an der Universität Bonn, erklärt gegenüber Blick: «Europa wird in konservativen Kreisen oft als verweichlicht, staatsgläubig und übermässig reguliert wahrgenommen. Das ist ein direkter Gegensatz zur, aus konservativer Perspektive, amerikanischen Idealvorstellung eines unabhängigen, eigenverantwortlichen Bürgers.»

Schon unter Präsident Barack Obama (63) hätten diese Kreise vehement davor gewarnt, dass dieser einen «europäischen Sozialismus» im Land verbreiten wolle. 

So schnell wird laut Adorf der Hass nicht nachlassen. Im Gegenteil. «Da die EU mit ihrer Zollpolitik gezielt republikanische Regionen ins Visier nimmt, könnte Trump diese Situation strategisch nutzen, um bestehende Ressentiments im republikanischen Lager gegen Europa gezielt weiter anzufachen.»

Schweiz bleibt verschont

Europa dürfe sich auch keine Hoffnung machen, wenn eine neue Regierung an die Macht kommt. Der strategische Fokus der USA verschiebt sich laut Adorf zunehmend vom transatlantischen Verhältnis hin zum Asien-Pazifik-Raum. «Europa ist gut beraten, nicht auf einen Kurswechsel nach Trumps Amtszeit zu hoffen, sondern seine Energien stärker in den Ausbau der innereuropäischen Zusammenarbeit und Autonomie zu investieren», sagt Adorf. 

Adorf stellt klar: Wenn Trump Europa sagt, meine er vor allem die EU. Denn wegen ihrer internationalen Zurückhaltung bleibe die Schweiz von den Vorwürfen weitgehend verschont. Adorf: «Die Schweiz wird in den USA eher als wohlhabendes, neutrales und pittoreskes Land wahrgenommen, das keine Bedrohung amerikanischer Interessen darstellt.»

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