Seit rund fünf Monaten kämpft Russland in der Ukraine um neues Territorium. Zuletzt konzentrierte sich der Krieg vor allem auf den Osten. Der Krieg fordert viele Opfer, auch Russland musste erhebliche Verluste hinnehmen.
Die Welt versucht derweil, den Druck auf Kreml-Chef Wladimir Putin (69) zu erhöhen, um das Töten zu beenden. So gut wie alle grossen Firmen aus dem Westen haben das Land verlassen. Zunächst gab sich der Präsident nicht von den Sanktionen beeindruckt.
Am Montag tönte dies aber nun anders. «Das ist eine gewaltige Herausforderung für unser Land», sagte Putin in einer im Fernsehen übertragenen Regierungssitzung. «Angesichts des kolossalen Umfangs der Schwierigkeiten, denen wir ausgesetzt sind, werden wir mit Energie und Kompetenz nach neuen Lösungen suchen.»
«Putin weiss, die Leute sind unzufrieden
Für Putin wird es eng. Davon ist Russland-Expertin Fiona Hill (56) überzeugt, wie sie in einem Interview im «Foreign Policy» erläutert. Sie arbeitete als Russland-Beraterin unter anderem für George W. Bush (76) und Barack Obama (60) im Weissen Haus. Für sie ist klar: «Putin läuft die Zeit davon.»
Denn bereits in zwei Jahren stünden in Russland Wahlen an. Putin müsse zwar aufgrund der Propaganda-Maschinerie keine Angst haben, nicht wiedergewählt zu werden. «Aber er hat Angst vor einer Wiederholung dessen, was nach seiner Rückkehr ins Präsidentenamt in den Jahren 2011 und 2012 passierte.»
Damals gab es landesweite Proteste, viele forderten den Rücktritt Putins. «Das könnte auch dieses Mal wieder passieren», sagt Hill. «Putin weiss, dass die Unzufriedenheit bei den Leuten gross ist.»
Er ist in Moskau und St. Petersburg nicht beliebt
Im Laufe der Jahre habe es in Russland immer wieder Proteste gegeben. Die meisten davon seien wegen der wirtschaftlichen Lage entstanden. Weil Russland nun massiv unter den westlichen Sanktionen leide, könnten erneut Proteste aufflammen, ist Hill überzeugt.
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«Vor allem in Moskau und St. Petersburg ist der Präsident nicht sonderlich beliebt. Die Leute hätten gerne eine Alternative – ein bisschen ähnlich wie bei Trump. Man wünscht sich eine Alternative, aber es gibt niemanden.»
«Putin will, dass der Krieg vorbei ist»
Auch bei Putins engem Umfeld wird die Unzufriedenheit immer grösser. Der Plan der Strippenzieher im Kreml sei eigentlich gewesen, dass Putin 2024 abtrete und Platz für einen Nachfolger mache. Im April 2021 erlaubte sich Putin aber mit einem Dekret, bis 2036 Präsident bleiben zu können.
«Es gibt Leute, die darüber sehr unzufrieden sind. Einige glauben, es sei ungerechtfertigt, dass sich Putin zwei weitere Amtszeiten genehmigt», sagt Hill. Mit zunehmender Kriegsdauer wirke Putin jetzt immer schwächer. «Und je schwächer er wirkt, desto weniger ist er in den Augen dieser Menschen der legitime Präsident. Deshalb gibt es für Personen in seinem Umfeld immer mehr Gründe, einen Nachfolger zu bestimmen.»
Putin wolle zwar nach aussen zeigen, dass dem Westen die Zeit davonlaufe und er am Ende als Sieger aus dem Krieg hervorgehe. «Aber in Tat und Wahrheit», so Hill, «will auch er, dass der Krieg bald vorbei ist. Denn auch seine Uhr tickt.» (zis)