Bombeneinschläge, Granatensplitter und tote Soldaten auf dem Schlachtfeld: Der Kampf um die ostukrainische Stadt Awdijiwka wird seit Oktober erbittert geführt. Die Russen setzen immer wieder neue Waffen gegen die ukrainischen Streitkräfte ein und versuchen, die Stadt einzukesseln. Aber nicht ohne Preis: auch die Ukrainer schaffen es, dem Gegner empfindliche Verluste zuzufügen. Ein russischer Soldat gewährt nun einen Einblick in die Situation an der Front. Schnell wird klar: Die Kampfbereitschaft der Russen nimmt ab.
«Von 75 Soldaten sind nur noch 14 übrig», sagt der verzweifelte Mann in einem Video auf der Plattform X. Der Rest sei entweder tot oder verletzt. «Sie haben uns einfach zerstört.» Laut Angaben des britischen Geheimdiensts gilt der Schauplatz Awdijiwka als einer der Orte mit der höchsten Opferzahl russischer Soldaten.
«Wir haben nur überlebt, weil wir einen Selbsterhaltungstrieb haben»
Anschliessend filmt der Soldat die zerstörte Natur. «Seht euch an, was hier passiert. Dieser Waldgürtel war lebendig, als wir hierherkamen.» Zu sehen ist ein modriger, verbrannter Baum, der abgestorben auf der Erde liegt. «Wir haben nur überlebt, weil wir einen sehr starken Selbsterhaltungstrieb haben», berichtet der Kämpfer. Während seiner Aufnahmen sind immer wieder Einschläge zu hören.
Schätzungsweise leben in Awdijiwka noch 1500 Menschen. Vor dem Angriffskrieg waren es etwa 32'000. Die verbliebenen Menschen suchen in Kellern Schutz. Fast alle Gebäude wurden im Rahmen der Kampfhandlungen zerstört.
Experten gehen davon aus, dass die russische Offensive bei Awdijiwka die grösste ist nach der Schlacht um Bachmut. Die Stadt gilt für Russland als Schlüsselposition, um die beiden östlichsten ukrainischen Provinzen zu kontrollieren. Die Gruppe «Frontelligence Insight» räumt in einer Analyse aber ein: «Die Gesamtsituation für die ukrainischen Streitkräfte in Awdijiwka hat sich stabilisiert.» Es gebe einen potenziellen Wechsel im russischen Ansatz, so «Frontelligence Insight». «Eine Version wäre, den Gegner eher zu belagern als den ursprünglich geplanten Angriff oder die Einkesselung der Stadt zu verfolgen. Die Angriffe gehen aber trotzdem weiter.» (ene)