Leichen, Blutlachen und verstreutes Gepäck: Es sind grausame Bilder von Tod und Verwüstung aus der ostukrainischen Stadt Kramatorsk. Tausende Menschen warteten am Bahnhof darauf, mit dem Zug vor dem russischen Angriffskrieg zu flüchten.
Doch so weit kam es am Freitagvormittag nicht: Eine russische Rakete schlug im Bahnhof ein, laut aktuellem Stand des ukrainischen Militärgeheimdienstes wurden dabei mindestens 50 Menschen getötet, darunter auch Kinder. Über 100 Menschen wurden verletzt.
Die Rakete wurde mit einer Botschaft abgefeuert. Auf Bildern ist eine Aufschrift zu erkennen. Auf Russisch und mit weisser Farbe wurde «Für die Kinder» auf die Rakete geschrieben. Wollten Putins Truppen damit also gezielt Kinder töten? Die Vermutung liegt nahe.
«Für die Vergeltung der Kinder des Donbass»
Doch die Nachricht kann auch anders übersetzt werden. Laut «Sky News» ist auch möglich, dass der Schriftzug «Für das, was den Kindern angetan wurde» bedeutet. Ausschlaggebend dafür sei die grammatikalische Formulierung der Aufschrift.
Diese Übersetzung passt zu vergangenen Angriffen. So ist die Rakete aus Kramatorsk nicht das erste russische Geschoss, das die Aufschrift «Für die Kinder des Donbass» oder «Für die Vergeltung der Kinder des Donbass» trägt. Dahinter steckt ein Narrativ der Kreml-Propaganda, gemäss dem die Ukraine seit 2008 die Kinder im Donbass töten soll.
2015 berichtete die «Washington Post» bereits über einen von Russland frei erfundenen Fall, in welchem dem ukrainischen Militär vorgeworfen wurde, ein Kind aus dem Donbass getötet zu haben. Folgt man dieser Logik, war die Rakete nicht dazu bestimmt Kinder zu töten, sondern als Vergeltung für getötete Kinder im Donbass. Der ukrainische Militärgeheimdienst spricht unterdessen von mindestens fünf Kindern, die durch den Angriff getötet wurden.
«Unsere Streitkräfte nutzen diesen Raketentyp nicht»
Bei der Rakete soll es sich um eine Lenkrakete des Typs Totschka-U handeln. Der Bahnhof in Kramatorsk war also kein zufälliges Ziel. Die Ukraine macht russische Truppen für den Angriff verantwortlich, die moskautreuen Separatisten gaben ukrainischen Einheiten die Schuld.
Das russische Verteidigungsministerium weist die Vorwürfe dennoch entschieden zurück, hinter der Raketen-Attacke zu stecken. «Unsere Streitkräfte nutzen diesen Raketentyp nicht», erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow (54) am Freitag russischen Agenturen zufolge. Russland benutzt für gewöhnlich den präziseren Raketen-Typ «Iskander». «Ausserdem gab es keine Kampfeinsätze in Kramatorsk, und es waren heute auch keine geplant», erklärt Peskow weiter.
Nur: «Focus» zufolge liess das Ministerium anfänglich verlauten, es habe am Freitag Hochpräzisionsraketen auf drei Bahnhöfe im Donbass abgefeuert. Ob Kramatorsk darunter war, ist nicht bekannt. Nachdem das Ausmass des Schadens in Kramatorsk bekannt geworden ist, rudert das Ministerium nun zurück und will keine Raketen eingesetzt haben. (chs)