Am Neujahrstag bebte an der Westküste Japans die Erde. Mehr als eine Woche nach dem Erdstoss ist klar: Über 200 Menschen kamen dabei ums Leben. Die Behörden in der Region Ishikawa veröffentlichten am Dienstag neue Zahlen, wonach 202 Menschen ums Leben gekommen sind und 102 noch vermisst wurden. Tausende Rettungskräfte kämpften auch acht Tage nach dem Beben noch mit blockierten Strassen und schlechtem Wetter, um die 3500 Menschen zu erreichen, die noch immer von der Aussenwelt abgeschnitten sind.
Trümmerberge, Erdrutsche und Nachbeben: All das erschwert die Arbeit der Retter vielerorts – mit einer Ausnahme. Das kleine Fischerdorf Akasaki hielt dem heftigen Erdbeben wie durch ein Wunder stand. Keines der rund 100, meist aus Holz gebauten, Häuser der Einwohner wurde schwer beschädigt – und das trotz eines Bebens der Stärke 7,5 und dem Fakt, dass das Epizentrum des Bebens nur wenige Kilometer vom Ort entfernt lag. Verletzte oder gar Tote? Gab es nicht.
Das ist das Geheimnis von Akasaki
Masaki Sato (43) besitzt in Akasaki ein Ferienhaus. Nach dem Erdbeben fuhr er die ganze Nacht von Tokio bis an die Küste, um nach dem 85 Jahre alten Haus zu sehen. «Ich fühlte mich so ermutigt, weil das Dorf immer noch da war», sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Bei ihm seien lediglich Keramikgeschirr zerbrochen, Geräte umgefallen und eine hölzerne Schiebetür kaputt.
Bei seinen Nachbarn lösten sich hier und da ein paar Dachziegel, mehr nicht. Alles nur Zufall – oder steckt mehr dahinter?
Die Dorfbewohner wissen: Eine besondere Eigenart der Architektur ihrer Behausungen dürfte dafür gesorgt haben, dass kein Gebäude einstürzte. Fast alle Häuser in Akasaki haben nur wenige Glasfenster, um dem Meereswind, Regen und Schnee trotzen zu können. Und: Von aussen bestehen die Häuser aus stabilen, horizontal geschichteten Holzlatten. Innen tragen mehrere dicke Balken, die kreuz und quer an der Decke verlaufen, die Konstruktion.
Auch die durch das Erdbeben ausgelösten Tsunamiwellen erreichten die Häuser nicht. Dabei dürfte die intelligente Architektur des Dorfes ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Die Häuser stehen oberhalb des Meeresspiegels; Betontetrapoden, grosse dreibeinige Wellenbrecher, schützen das Dorf zusätzlich. Vor dem Haupthaus wurde zudem oft ein Schuppen gebaut, der als Windschutz für das grössere Gebäude fungiert – ein Überbleibsel aus der Zeit, als jeder Fischer sein Boot aus seinem Schuppen holte und direkt ins Meer liess.
Feuer, Schnee und Erdbeben können Akasaki nichts anhaben
Dass die Häuser über eine solche starke und einheitliche Architektur verfügen, liegt zudem in einer weiteren Naturgewalt begründet. Ende der 1930er-Jahre brach ein Feuer aus und zerstörte einen Grossteil des Dorfes.
Auch dank des Feuers kann Masaki Sato heute nach einem Erdbeben in seinem Gästehaus am Küchentisch sitzen. «Das Dorf ist zu wertvoll, um es zu verlieren», ist für ihn klar.