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Respektloses Verhalten und explodierende Mieten
Südeuropa hat keine Lust mehr auf Touristen

Anti-Tourismus-Proteste sind in Südeuropa in diesem Jahr keine Seltenheit. Die Gründe für den Unmut sind vielschichtig.
Publiziert: 31.07.2024 um 20:38 Uhr
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Aktualisiert: 01.08.2024 um 23:02 Uhr
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Barcelona hat genug von Touristen.
Foto: IMAGO/ZUMA Press Wire
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Marian NadlerRedaktor News

Anfang Juli marschierten Demonstranten durch beliebte Touristengebiete in der spanischen Stadt Barcelona, besprühten ahnungslose Besucher mit Wasserpistolen und skandierten «Touristen, geht nach Hause». Bereits im April protestierten Einheimische gegen den exzessiven Tourismus auf den Kanarischen Inseln und riefen zu einem Hungerstreik auf.

Ungefähr zur gleichen Zeit hat die italienische Lagunenstadt Venedig als erste Stadt der Welt ein Bezahlsystem für Besucher eingeführt, um Tagesausflügler davon abzuhalten, zu den Stosszeiten in die Stadt zu kommen. Ein aktueller Beschluss des Stadtrats von Venedig sieht eine Begrenzung der Anzahl der Mitglieder von Touristengruppen, die von Fremdenführern begleitet werden dürfen, auf 25 Personen vor.

Mieten explodieren

Südeuropa hat genug von Touristen. Gründe für den Sinneswandel gibt es mehrere.

In Spanien sind die Mieten und Immobilienpreise explodiert. Der Erwerb eines Eigenheims wird für die Einheimischen immer schwieriger. In Barcelona sind die Mieten im vergangenen Jahrzehnt um 68 Prozent gestiegen, schreibt die BBC. In anderen europäischen Städten sieht es ähnlich aus. 

Antje Martins ist Expertin für nachhaltigen Tourismus an der Universität Queensland. Sie wertet die Proteste als Zeichen der Unzufriedenheit. Die Einheimischen hätten vom Tourismus, den sie sehen, keinen Nutzen, sagt sie dem britischen TV-Sender.

Respektloses Verhalten

In Venedig hat der Massentourismus bereits zur Schliessung von Gesundheitseinrichtungen, zur Ersetzung von Nachbarschaftsläden durch Souvenirläden und zu einem Boom bei den Immobilienpreisen geführt. Man sei kurz davor, einen «Point of no Return» zu erreichen, warnt Susanna Polloni, Mitgründerin des «Solidarity Network for Housing», welche Venezianerinnen und Venezianern dabei unterstützt, mit den Herausforderungen des modernen Wohnungsmarktes fertig zu werden. «Wir glauben, dass unser Hilferuf aus einer Stadt, die für den Profit einiger weniger stirbt, die ganze Welt erreichen sollte», sagt sie der BBC.

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Es gibt aber nicht nur mit der Unterbringung der Touristen Probleme. Auch das respektlose Verhalten mancher Touristen stösst den Menschen in Südeuropa zunehmend sauer auf.

Im italienischen Florenz wurde kürzlich eine junge Frau gefilmt, die eine Statue des römischen Gottes der Fruchtbarkeit, Bacchus, küsste und sich an ihr rieb. Das Rathaus der Stadt kritisierte das Verhalten der Touristin und sah darin einen Akt, der «Sex nachahmte». 2023 hatte ein Tourist für Schlagzeilen gesorgt, der beschuldigt wurde, eine Statue des Neptunbrunnens aus dem 16. Jahrhundert auf der Piazza della Signori beschädigt zu haben. Im selben Jahr ging eine Gruppe ausländischer Touristen in einer Villa sogar noch weiter – und zerstörte eine wertvolle Statue komplett.

Vom respektlosen Verhalten der Gäste können sie auch auf Mallorca, in Barcelona oder Benidorm ein Lied singen. «Es scheint, als würden sie hier Dinge tun, die sie in ihren eigenen Ländern nicht tun können», beschwert sich Carlos Ramirez, ein Lehrer aus Barcelona, für den das Leben immer unbezahlbarer wird.

Helfen De-Marketing-Kampagnen?

Manche Städte setzen deshalb auf «De-Marketing-Kampagnen», erklärt Sebastian Zenker, Tourismus-Professor an der Copenhagen Business School. Bestimmte Touristen sollen von einem Besuch abgehalten werden. Zenker verweist auf die «Stay Away»-Kampagne 2023 in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam, die sich mit Anzeigen an junge Männer richtete, die sie vor den Folgen asozialen Verhaltens warnten.

Wie lässt sich das Problem also lösen? «Es geht darum, dass das Geld, das von oder mit Touristen verdient wird, in den Ort und in Arbeitsplätze investiert wird, damit sich die Menschen das Leben leisten können», sagt Zenker. Solange sich kein Gleichgewicht einstellt, werden die Proteste weitergehen, glaubt er.

Die Politik ist also gefragt. Sie muss der Tourismusindustrie die Gier austreiben und dafür sorgen, dass die Einheimischen ein gutes Leben haben.

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