Es fing mit ein paar Truckern an, die sich gegen die Impfpflicht auflehnten und entwickelte sich zu einem landesweiten Protest. Mit Lastwagen und anderen Fahrzeugen blockierten sie unter anderem Teile der Innenstadt Ottawas. Und besonders wichtig: die Ambassador-Brücke. Sie verbindet Kanada und die USA. Eine Woche lang hielten die Protestler die Stellung. Nun hat die kanadische Polizei dem Treiben ein Ende gesetzt.
Die Lkw-Fahrer hatten die Blockade des wichtigen Grenzübergangs trotz einer Gerichtsanordnung fortgesetzt. Laut dem Gerichtsbeschluss hätten sie die Ambassador-Brücke am Freitagabend bis 19 Uhr Ortszeit verlassen müssen. Am Samstag begann dann ein massives Polizeiaufgebot mit der Räumung, konnte jedoch zunächst nicht alle Lkw von der Brücke holen.
Am Sonntag gab es nach Behördenangaben erstmals auch Festnahmen. Gegen Mittag (Ortszeit) war die Brücke frei, die Zufahrtsstrasse geräumt. Der Grenzübergang werde wieder geöffnet, «wenn es sicher ist», sagte der Bürgermeister der Grenzstadt Windsor, Drew Dilkens. Aber «die nationale Wirtschaftskrise an der Ambassador-Brücke ist heute zu Ende gegangen.»
Strassen seit über zwei Wochen verstopft
Der Grenzübergang ist eine wichtige Verkehrsader und wird täglich von mehr als 40'000 Berufspendlern und Touristen genutzt. Täglich passieren Lastwagen mit Waren im Wert von 323 Millionen Dollar (283 Millionen Euro) die Brücke – mehr als ein Viertel des Warenverkehrs zwischen den USA und Kanada.
Das Weisse Haus lobte die «entschlossenen Strafverfolgungsmassnahmen» Kanadas zur Beendigung der Blockade. Liz Sherwood-Randall, Beraterin von US-Präsident Joe Biden, erklärte, die Ambassador-Brücke werde voraussichtlich noch am Sonntag wieder geöffnet.
Andere Grenzübergänge blieben jedoch von Gegnern der Corona-Massnahmen blockiert. Zahlreiche weitere Demonstranten strömten zudem in Kanadas Hauptstadt Ottawa, wo die Strassen seit über zwei Wochen durch hunderte Lastwagen verstopft sind.
Andere Menschen zum Protest inspiriert
Die Aktionen der Lkw-Fahrer hatten aus Protest gegen die Impfpflicht bei Grenzübertritten begonnen, die Mitte Januar von Kanada und den USA eingeführt worden war. Ungeimpfte kanadische Lkw-Fahrer müssen demnach bei der Rückkehr aus den USA in eine 14-tägige Quarantäne, US-Fahrer ohne Impfung dürfen gar nicht ins Land.
Die Proteste der kanadischen Trucker haben weltweit Gegner der Corona-Massnahmen inspiriert. In Frankreich waren in den vergangenen Tagen tausende Demonstranten aus allen Landesteilen mit Autos, Wohnmobilen und Lieferwagen an den Pariser Stadtrand gefahren, um sich einem Protestkonvoi anzuschliessen. Unter den Teilnehmern fanden sich Impfpass-Gegner, Anhänger der «Gelbwesten»-Bewegung, aber auch Menschen, die generell gegen die Regierung protestieren. Die Polizei mobilisierte 7500 Einsatzkräfte, um Blockaden zu verhindern.
Konvoi von rund 1300 Fahrzeugen
Am Samstagnachmittag gelang es Demonstranten, zu Fuss und mit mehr als hundert Fahrzeugen auf die Champs-Elysées zu fahren. Die Polizei löste die unerlaubte Demonstration mit Tränengas auf, nahm 97 Menschen fest und verhängte 513 Verwarnungen. An genehmigten Kundgebungen gegen die Corona-Massnahmen beteiligten sich am Samstag laut Innenministerium landesweit 32'100 Menschen, davon fast 7600 in Paris.
Das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit seien verfassungsmässig garantiert, erklärte Premierminister Jean Castex. «Andere zu blockieren oder am Kommen und Gehen zu hindern, sind es nicht.»
Einige der Protestierenden planten die Weiterfahrt nach Brüssel, wo am Montag ein «europäisches Treffen» stattfinden soll. Die belgischen Behörden haben die geplanten Konvois ebenfalls verboten. Ein Konvoi von rund 1300 Fahrzeugen erreichte am Sonntag das nordfranzösische Lille nahe der belgischen Grenze.
In Den Haag fuhren am Samstag ebenfalls Gegner der Corona-Massnahmen aus den gesamten Niederlanden mit ihren Fahrzeugen in die Innenstadt. Medienberichten zufolge blockierten hunderte Autos den berühmten Binnenhof, in dem unter anderem das niederländische Parlament sitzt. Die Polizei stellte den Demonstranten eine Frist bis zum Nachmittag für das Verlassen der Stadt, die auch eingehalten wurde. (AFP/jmh)