Blockierte Strassen in Ottawa
Trudeau will mit Trucker-Demonstranten nicht verhandeln

Die Lage bei den Corona-Protesten in Kanada entspannt sich nicht. Im Gegenteil: Die Demos weiten sich zunehmend aus. Auch in Paris wollen sich Corona-Gegner formieren. Die Polizei hat eine Trucker-Demo verboten.
Publiziert: 10.02.2022 um 10:37 Uhr
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Ein Lkw-Konvoi in Ottawa blockiert seit zwei Wochen die Strassen.
Foto: AFP

Als vergangenen Monat ein Lkw-Konvoi aus dem Westen Kanadas in Richtung der Hauptstadt Ottawa am anderen Ende des Landes aufbrach, wollten die Trucker zunächst nur gegen eine neue Impfpflicht für ihren Berufszweig demonstrieren. Nun aber blockieren Hunderte Lastwagen seit zwei Wochen das politische Zentrum des Landes.

Die Demonstrationen weiteten sich zur Generalabrechnung mit den Corona-Massnahmen der Regierung von Premier Justin Trudeau aus – und inspirieren seither ähnliche Proteste von oftmals rechten Gruppen weltweit.

Blockade wichtiger Grenzbrücke

Die eigentlich recht beschauliche Innenstadt Ottawas mit ihrem gitterartigen Strassennetz und dem gotischen Parlamentsbau im Norden ist nun Tag für Tag im Ausnahmezustand. Tonnenschwere Laster versperren die Zufahrtswege, teilweise demonstrieren Tausende vor dem Abgeordnetenhaus im eisigen kanadischen Winter gegen die Regierung und die von ihr verfügten Corona-Einschränkungen.

Sie lassen die rot-weisse Landesflagge mit dem Ahornblatt wehen, auf einem Schild steht «Trudeaus neues Zuhause» – darunter sind Gitterstäbe eines Gefängnisses gemalt. Allgegenwärtig ist dieser Tage auch das Wort «Freiheit» in Ottawa und anderen Städten des Landes, in denen sich ähnliche Demonstrationen des «Freedom Convoy» formiert haben – Freiheit von einer gefühlten «Corona-Diktatur». Für Aufsehen sorgte dabei vor allem die zeitweise vollständige Blockade einer wichtigen Grenzbrücke in die amerikanische Industriemetropole Detroit. In der Folge sahen sich mehrere Autofabriken in der Region gezwungen, ihre Produktionsstrassen wegen fehlender Bauteile anzuhalten.

Viele der Menschen, die – zum Ärger von Anwohnern – die kanadische Hauptstadt sowie wichtige Wirtschaftrouten lahmzulegen versuchen, werden dem rechten Spektrum zugeordnet. Medien wie die US-Nachrichtenagentur Associated Press berichteten, vereinzelt seien auch Hakenkreuz-Flaggen zu sehen gewesen. Doch unter den Regierungskritikern und Impfgegnern in Kanada sind auch viele, die sich nicht dem rechten Rand zugehörig fühlen und Trudeaus Massnahmen zur Pandemie-Bekämpfung schlicht für nicht mehr angemessen halten.

Trudeau will nicht verhandeln

Der Regierungschef denkt jedoch bisher nicht daran, mit den Demonstranten zu verhandeln und kanzelt sie als Randgruppe der kanadischen Gesellschaft ab. Zuletzt machte der liberale Premier seinem Ärger über die Proteste deutlich Luft: Auch wenn er das Recht auf freie Meinungsäusserung und Kritik an der Regierung «immer verteidigen» werde – «Sie haben nicht das Recht, unsere Wirtschaft zu blockieren, oder unsere Demokratie oder das tägliche Leben unserer Mitbürger. Es muss aufhören.»

Tatsächlich trugen weite Teile der Bevölkerung Trudeaus teilweise sehr strikten Anti-Covid-Kurs in den vergangenen zwei Jahren mit. Die Massnahmen machten den von früheren Popularitätswerten weit entfernten Politiker laut Umfragen sogar wieder beliebt. In jüngsten Studien zeichnet sich allerdings eine mögliche Trendwende ab, auch wenn das Bild noch nicht eindeutig ist. Auch Anhänger des 50-Jährigen nehmen der grassierenden Omikron-Variante geschuldete Massnahmen wie neue Reiseeinschränkungen und von lokalen Regierungen verordnete Schliessungen der Innenräume von Bars und Restaurants als übertrieben wahr. Vereinzelt bekommt Trudeau selbst aus seiner eigenen Partei Gegenwind.

US-Trucker wollen von Kalifornien nach Washington

Dabei sind die allermeisten seiner Landsleute den Impfstoffen gegenüber aufgeschlossen und Skeptiker längst nicht so zahlreich vertreten wie in den benachbarten USA: Vier von fünf der 38 Millionen Einwohner Kanadas sind vollständig geimpft, ein Grossteil befürwortet eine Impfpflicht und Einschränkungen für jene, die sich keine Spritze setzen lassen wollen. Die auch im weltweiten Vergleich herausragende Quote hatte die Regierung unter anderem durch eine Impfpflicht für Zug- und Flugreisende gefördert. Im Januar trat eine entsprechende Pflicht für Lkw-Fahrer in Kraft, die mit ihren Lastwagen die Landgrenze von den USA nach Kanada überqueren wollen.

An dieser neuen Regelung entzündete sich der Protest der Trucker, der nun aus Ottawa in die Welt schwappt: An die kanadischen Demonstrationen angelehnte Konvois gibt es inzwischen auch in Australien und Neuseeland. Und die USA könnten ebenfalls zum Schauplatz solcher Unmutsbekundungen werden: Mehrere Medien zitierten am Mittwoch aus einer Warnung des US-Heimatschutzministeriums, wonach sich ein Konvoi nach kanadischem Vorbild bereits am Sonntag aus Kalifornien ins Tausende Kilometer entfernte Washington in Bewegung setzen könnte. In der Hauptstadt, wo die Erstürmung des US-Kapitols vor gut einem Jahr für chaotische Szenen und ein nationales Trauma sorgte, könnten die zornigen Trucker gegen die Corona-Politik von Präsident Joe Biden mobil machen. Und damit womöglich noch stärkere Bilder in die Welt senden.

Pariser Polizei verbietet Demo

In Paris hat die Polizei eine Trucker-Demo gegen Corona-Beschränkungen nach kanadischem Vorbild verboten, zu der sich in einigen französischen Städten bereits Konvois auf den Weg gemacht haben.

Zum Schutz der öffentlichen Ordnung wurden die für das Wochenende geplanten Proteste und Blockaden in der Hauptstadt untersagt, teilte die Präfektur am Donnerstag mit. Die Polizei werde mit Härte gegen jede Missachtung vorgehen. Entsprechende Kräfte würden mobilisiert, um Strassenblockaden zu verhindern und Beteiligte zu verfolgen. Diesen drohten hohe Geldstrafen, das Abschleppen der Fahrzeuge und Einträge in der Verkehrssünderdatei.

Der tatsächliche Umfang, den die Fahrzeug-Konvois in Frankreich annehmen könnten, war für die Behörden zunächst schwer abschätzbar. In den von Paris am weitesten entfernten Städten im Süden machte sich am Mittwoch eine überschaubare Zahl von Demonstranten auf den Weg. Aufgerufen wird in den sozialen Medien zu einer Sternfahrt nach Paris. Ziel des sogenannten Convoi de la Liberté (übersetzt: «Konvoi der Freiheit») ist ein gebündelter Protest am Samstag in der Hauptstadt, auch von einer anschliessenden Weiterfahrt nach Brüssel ist die Rede. (SDA)

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