Premier Giuseppe Conte entscheidet Shutdown in Nordtitalien
Im Tessin sind ab heute Nacht die Grenzen dicht

Es ist wieder soweit. Wie bei der ersten Welle im Frühjahr 2020 erklärt Italiens Premier Giuseppe Conte (56) die Grenzregionen Lombardei, Piemont und das Aostatal zu roten Zonen und verhängt einen Shutdown. Das trifft auch die Südschweiz.
Publiziert: 05.11.2020 um 16:53 Uhr
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Aktualisiert: 02.02.2021 um 12:02 Uhr
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Alarmiert von den explodierenden Fallzahlen und der zunehmenden Not in den Intensivstationen, verhängte Italien Premier Giuseppe Conte für den Abend des 6. November 2020 den Lockdown in der Lombardei, im Piemont, im Aostatal und in Kalabrien. Er soll bis zum 3. Dezember gelten.
Foto: keystone-sda.ch
Myrte Müller

Es ist ein Déjà-vu des Elends: Am Dienstagabend bildet sich vor dem Turiner Spital eine lange Schlange von Ambulanzen. An Bord 100 Patienten. Viele haben Corona-Symptome. Doch die Notaufnahme ist restlos überlastet. Das Krankenhaus hat nicht genügend Betten.

In der Nacht auf den 3. November beginnt die Jagd nach freien Plätzen. Panik bricht aus beim Notruf. Die Sanitäter wissen nicht, wohin mit ihren nach Luft ringenden Passagieren. Zur Hilfe eilt schliesslich das Militär, transportiert die Kranken in Spitäler der Nachbargemeinden – sogar ins 120 Kilometer entfernte Tortona.

Über 12'000 Neuinfektionen in den roten Zonen Norditaliens

Es sind solche Bilder, die Giuseppe Conte (56) alarmieren. In grossen Teilen Norditaliens explodiert die Zahl der Neuinfektionen, der Reproduktionswert liegt bei 2. Das heisst, ein Infizierter steckt im Durchschnitt zwei Menschen an. Ein Schneeball-System, das schnell zur Katastrophe wird. Knapp 40'000 Covid-Tote meldet das Land heute. Und täglich kommen Hunderte Neue hinzu.

Der Premier zieht die Handbremse und erklärt die Lombardei, das Piemont und Aostatal zur roten Zone. In diesen Grenzgebieten zur Schweiz schnellte die Zahl allein am 4. November auf insgesamt 12'000 Corona-Neuinfektionen. Auch Kalabrien wird gesperrt.

Ausgangssperre gilt für jede einzelne Gemeinde

Ab heute, 22 Uhr, gilt der Shutdown. Für Schweizer Touristen heisst dies: Die Grenzen im Tessin sind dicht für all jene, die in die Lombardei reisen wollen. Auch von der Welschschweiz darf man nicht mehr in den Piemont oder ins Aostatal. Noch offen sind die Grenzregionen Südtirol und Venetien. Auch der Transitverkehr ist noch erlaubt.

In den roten Zonen darf niemand die eigene Gemeinde verlassen, niemand einreisen. Nur das Nötigste ist erlaubt: Lebensmittel einkaufen, der Gang zum Arzt oder in die Apotheke. Schüler ab der Oberstufe müssen daheim lernen. Jeden Tag wird fortan eine Selbsterklärung ausgefüllt und bei Kontrollen vorgelegt. Sonst hagelt es Bussen. Die Ausgangssperre gilt vorerst bis zum 3. Dezember.

Wer einen Arbeitsweg nachweisen kann, hat freie Fahrt. Das gilt auch für die über 70'000 Pendler, die täglich die Tessiner Grenze passieren. Zumindest bis zum nächsten Dekret. Mit Sorge beobachtet Fabio Regazzi (58), Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV). «Die Lombardei ist eine wichtige Region für uns. Die meisten Grenzgänger kommen daher. Sie sind unverzichtbar für unsere Wirtschaft, aber vor allem für unser Gesundheitssystem», sagt der CVP-Nationalrat gegenüber BLICK. «Noch dürfen die Pendler einreisen. Doch die Situation kann sich täglich ändern. Auch bei uns.»

Die Entscheidung liege bei der Regierung. Die Vorstellung eines Lockdowns aber bereitet dem Tessiner Unternehmer Bauchschmerzen: «Das hätte für unsere Wirtschaft dramatische Folgen. Schon heute kämpfen viele Unternehmen ums Überleben.»

Gobbi fordert angemessene Kontrollen an den Grenzen

Verständnis für die strikten Massnahmen des Nachbarn zeigt Norman Gobbi (43). «Jedes Land versucht, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, so der kantonale Regierungspräsident. «Der normale Grenzverkehr ist nicht mehr möglich. Aber Pendler können ins Tessin kommen, vor allem all jene, die im Gesundheitswesen arbeiten.»

Der Lega-Politiker hat sich nun an den Bundesrat gewandt und fordert angemessene Kontrollen an den Grenzen, in Zusammenarbeit mit den italienischen Behörden. Im Visier: Pendler, deren Bewilligung G abgelaufen ist. Zudem wolle man mit den Italienern zusammen eine Lösung suchen für all jene Familien, die Verwandte dies- und jenseits der Grenze haben.

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