Petition wegen zu langen Kriegs-Einsätzen bei Mobilisierten eingereicht: «Brauchen unsere Männer und Söhne»
Jetzt wehren sich russische Ehefrauen gegen Putin

Eine neue Bewegung aus Soldaten-Familien wehrt sich gegen die russische Regierung. Mit Hilferufen versuchen die Frauen, ihre Ehemänner und Söhne nach Hause zu bringen. Der Unmut wächst.
Publiziert: 28.11.2023 um 12:10 Uhr
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Aktualisiert: 28.11.2023 um 12:40 Uhr
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Anfang November sind Angehörige der russischen Mobilisierten in Moskau auf die Strasse gegangen. Sie fordern, dass ihre Männer heimkommen.
Foto: Telegram

Die russischen Ehefrauen sind wütend. Der immer länger dauernde Krieg in der Ukraine und die harten Kampfeinsätze russischer Soldaten stossen den Ehefrauen zu Hause sauer auf. Das offizielle Argument der Regierung – für einen Sieg werden die Soldaten auf unbestimmte Zeit gebraucht – scheint nicht mehr zu ziehen. Russische Medienberichte zeigen: Mit einer neuen Bewegung wollen sie sich gegen die Mechanismen wehren. 

Ein kürzlich veröffentlichtes Video aus der sibirischen Stadt Novosibirsk zeigt den Ausschnitt einer kleinen Kundgebung. Eine Frau sagt: «Unsere Truppen wurden zwar zur besten Armee der Welt, aber das bedeutet nicht, dass diese Armee bis zum letzten Mann dort bleiben sollte.» Die Haltung: Soldaten, die über ein Jahr gedient haben, verdienten es, nach Hause zu kommen. Wenn ein Soldat für sein Vaterland Blut vergossen habe, sei es an der Zeit, dass der Soldat zu seiner Familie zurückkehren kann. 

Heisser Tanz der Ehefrauen

Der offen gezeigte Unmut ist selten in Russland. Stimmen, die sich gegen die «spezielle Militäroperation in der Ukraine» äussern, verstummen relativ schnell. Der Grund: Öffentliche Kritik an den Entscheiden der Regierung steht teilweise unter Strafe. 

Für die Anti-Mobilisierungsbewegung ist es ein delikates Unterfangen, ihre Botschaft zu platzieren und gleichzeitig nicht gegen herrschende Gesetze zu verstossen. Frauen und Angehörige nutzen vor allem Chat-Gruppen, um sich zu formieren und Aussagen zu tätigen. Darin finden sich regelrechte Appelle: «Vor unseren Augen entfaltet sich eine Tragödie, die wir nicht allein ertragen können! Wir haben an jede Tür geklopft. Unser Staat hat sich von denen abgewandt, die auf seinen Hilferuf reagiert haben. Die Mobilisierten und ihre Angehörigen.» Viele seien erschöpft und hätten keine Zukunft mehr. 

Behörden lassen keine Demonstrationen zu

Die Familien reichten eine Petition ein mit der Forderung an den Kreml, die Soldaten aus dem Dienst zu entlassen. Genehmigungen für Kundgebungen in mehreren Grossstädten wurden verweigert. Der Grund der Behörden: Es gebe immer noch Covid-Beschränkungen. 

Die russische Medienlandschaft glaubt, dass die Protestgruppe für den Kreml zu einem politischen Problem werden könnte. Die Behörden halten sich momentan noch zurück – statt Verhaftungen versuchen sie die Demonstrantinnen durch Parolen und Hausbesuche einzuschüchtern.

In den sozialen Medien berichten mehrere Frauen auch von Versuchen, die Familien mit mehr Geld zum Schweigen zu bringen. Eine Frau sagt: «Wir Frauen brauchen unsere Ehemänner und Söhne, kein Geld.» Sogar ihre Männer an der Front würden sie mittlerweile darum bitten, etwas zu unternehmen. 

«Mütter und Ehefrauen sind die einzigen legitimen Kritiker des Militärs»

Eine russische Publikation der unabhängigen Online-Zeitung «The Insider», zitierte einen anonymen russischen Beamten mit den Worten, die bevorzugte Strategie der Behörden sei «überreden, versprechen, zahlen», um jede Art von Unmut auf der Strasse zu stoppen. 

Putin sorge sich demnach, dass die Ehefrauen und Mütter ihre Sorgen auf die Wählerinnen und Wähler übertragen. «In einem Land, in dem es keine unabhängigen Medien und andere wirksame Systeme der staatlichen Kontrolle gibt, in dem der Staat eine repressive Politik gegen jede Art von zivilem Aktivismus verfolgt, sind Mütter und Ehefrauen die einzigen legitimen Kritiker des Militärs», schreibt das Portal openDemocracy. (ene)

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