Russlands Präsident Wladimir Putin (71) ziert sich noch immer, seine Kandidatur für die im März geplanten Präsidentschaftswahl offiziell bekannt zu geben. Eine Verfassungsänderung erlaubt es Putin, eine weitere Amtszeit anzustreben. Bis 2020 war Russlands Präsidentenamt auf zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten limitiert. Nun darf Putin praktisch auf Lebzeiten weiter herrschen. Eine Kandidatur für 2024, so sagte er im September, bestätige er allenfalls nach der offiziellen Ankündigung der Wahl. Jetzt aber stellt sich Putin eine mutige Russin entgegen.
Eine krasse Aussenseiterin hat letzte Woche ihre unerschütterliche Absicht angekündigt, es mit dem Kreml-Machthaber aufzunehmen: Jekaterina Dunzowa ist eine 40-jährige alleinerziehende Mutter und Journalistin aus der Region Twer nordwestlich von Moskau. Dunzowa hat auf Telegram ihre Kandidatur für das russische Präsidentenamt angekündigt.
Russland bewege sich in falsche Richtung
Dunzowa schlägt in ihrer Telegram-Erklärung gleich deutliche Töne an, die sie womöglich hinter Gitter bringen können: «Warum habe ich diese Entscheidung getroffen? Ich liebe unser Land», schreibt sie. «Ich möchte, dass Russland ein blühender, demokratischer und friedlicher Staat ist. Aber im Moment bewegt sich unser Land in eine ganz andere Richtung.»
Die Mutter von drei Kindern «verstehe, dass viele im Moment abwarten wollen. Aber wir müssen handeln. Versuchen wir es zumindest! Versuchen wir, diese ‹Wahl› zu gewinnen!» Besonders ihre 19-jährige Tochter sei daran interessiert, bei der Kampagne zu helfen.
Die Journalistin vertraut darauf, dass ihr Alter, ihr Geschlecht und ihre mangelnde Erfahrung in der Moskauer Politik ihre grössten Stärken sein können. «Wahlen» in Russland, die Dunzowa bewusst in Anführungs- und Schlusszeichen setzt, wurden noch immer von älteren Männern dominiert, die jahrzehntelang im Schatten des Kremls arbeiteten. Die letzte mächtige Frau in Russland? Kaiserin Katharina die Grosse, im 17. Jahrhundert.
Spricht von Frieden statt Krieg
Dunzowa will demnächst mit Anhängern in Moskau ihre Partei gründen und in verschiedenen Städten des Landes Parteibüros einrichten. Sie macht sich keine Illusionen. Erwartet bereits, dass jeder Oppositionsversuch gegen Putin von den Behörden aufgelöst wird. «Wir wissen sehr wohl, was passieren kann», sagte Dunzowa der «Moscow Times». «Wenn wir nicht in der Lage sind, uns beim ersten Versuch zu versammeln, werden wir es ein zweites Mal versuchen, und so weiter.»
Die studierte Juristin deutet an, dass sie auch Russlands Invasion in der benachbarten Ukraine missbilligt. Ihre Worte wägt sie vorsichtig ab, um die strengen russischen Zensurgesetze nicht zu verletzen. Von der Staatsanwaltschaft war sie bereits vorgeladen worden, um über ihre Kampagne und ihre Haltung zu Russlands Vorgehen in der Ukraine zu sprechen. In Russland ist es verboten, die militärische Spezialoperation des Kremls als «Krieg» zu bezeichnen. Lieber spricht Dunzowa daher von «Frieden».
Viele hohe Hürden
Eine erste grosse Hürde, die Dunzowa zu überwinden hat, sind schwierige Wahlgesetze. Sie muss 300'000 Unterschriften aus mindestens 40 Regionen Russlands sammeln und der Wahlbehörde zur Überprüfung vorlegen.
Weiter verlangt das russische Wahlrecht, dass eine Kandidatur von einer 500-köpfigen Interessengruppe unterstützt werden muss. Diese hat sich an einem Ort zu versammeln, um einen Kandidaten zu unterstützen.
Es gilt als wahrscheinlich, dass die russischen Behörden ein solches Treffen sofort zu verhindern oder aufzulösen versuchen. Dunzowa hofft auf eine neue Bewegung im Land, damit sie Putin bei der Präsidentenwahl 2024 offiziell herausfordern kann.