Luise F.* (†12) starb durch über 30 Messerstiche. Getötet wurde das Mädchen von zwei Klassenkameradinnen (12, 13), die offenbar ihre besten Freundinnen gewesen sein sollen. Der grausame Fall aus Deutschland sorgt über die Landesgrenzen hinaus für Entsetzen.
Heiss diskutiert wird auch der Umstand, dass den Täterinnen keine strafrechtlichen Konsequenzen drohen, weil das Jugendstrafrecht in Deutschland erst ab 14 Jahren greift. Wie «Focus» schreibt, wurde bereits in der Vergangenheit immer wieder über die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters diskutiert. Der Fall Luise tritt die Debatte nun erneut los.
Inzwischen wurde wegen ihrer Ermordung gar eine Online-Petition lanciert. Die Forderung: Die Strafmündigkeit für Mord soll herabgesetzt werden, damit die beiden Täterinnen im Fall Luise bestraft werden können. Die Petition scheint Anklang zu finden: Sie wird bereits von 12'000 Menschen unterstützt (Stand Mittwochmittag).
Vorgehen von Kindern immer «rücksichtsloser und gewalttätiger»
Wie die «Siegener Zeitung» schreibt, unterstützt unter anderem die Deutsche Polizeigewerkschaft Nordrhein-Westfalen (DPOLG) die Herabsetzung der Strafmündigkeit.
«Polizeibeamtinnen und -beamte werden in ihrem täglichen Dienst immer häufiger damit konfrontiert, dass nicht nur Jugendliche, sondern schon bislang strafunmündige Kinder unter 14 Jahren kriminelle Taten begehen», sagt ein Sprecher zur Zeitung. Dabei sei ihr Vorgehen immer rücksichtsloser und gewalttätiger. Die Gewerkschaft fordert deshalb, dass Kinder bereits ab 12 Jahren strafrechtlich belangt werden können.
Wie der Rechtsanwalt Steffen Hörning aus Göttingen gegenüber «Focus» erklärt, sei die Grenze von 14 Jahren vor Jahrzehnten festgelegt worden. Inzwischen sollte man «neu nachdenken». Und: «Niemand möchte die Strafunmündigkeit auf das Alter von 8, 9 oder 10 Jahren heruntersetzen.» Aber auf 12 sei realistisch.
Auch deutsche Politiker hätten sich in der Vergangenheit bereits für eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters ausgesprochen. So beispielsweise Falko Liecke (50) der CDU in Berlin-Neukölln. Wie er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte, würde er es begrüssen, würde das Jugendstrafrecht ab 12 Jahren greifen. Dies würde «eine andere Form der Intervention» ermöglichen.
Auch in der Politik werden Forderungen nach einer Debatte über eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters laut. «Es ist erschütternd, dass zwei Mädchen ein anderes Mädchen getötet haben», sagte ihr rechtspolitischer Fraktionssprecher Günter Krings (53, CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstagsausgaben). «Wir müssen die Debatte führen, ob das Alter der Strafmündigkeit für schwere Straftaten gesenkt werden muss.»
Es verböten sich jetzt zwar vorschnelle Forderungen, sagte Krings weiter. Es müsse aber über die Altersgrenze von 14 Jahren diskutiert werden. «Denn bei den schwersten Straftaten – wie insbesondere Tötungsdelikten – handelt es sich um keine jugendlichen Verfehlungen. Auch Kinder wissen, dass sie nicht töten dürfen.» Der Unionspolitiker forderte eine Überprüfung, ob es eine Zunahme von schweren Straftaten durch Kinder gebe und sich der Reifeprozess bei 12- und 13-Jährigen beschleunigt habe.
«Würden Sie ein zehnjähriges Kind ins Gefängnis stecken wollen?»
Dennoch gibt es auch unzählige Gegenstimmen. Thomas Bliesener, der Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, hält wenig von einer Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters: «Wir haben langfristig keinen Anstieg der Gewaltkriminalität und der schweren Gewaltkriminalität von Kindern und Jugendlichen», so Bliesner im Interview mit RND.
Ähnlich sieht es Strafrechtswissenschaftler Jörg Kinzig. «Trotz des schrecklichen Geschehens von Freudenberg besteht kein Anlass, daran zu rütteln», so Kinzig zu «Focus». Die Strafmündigkeit von 14 Jahren habe sich bewährt.
In die gleiche Kerbe schlägt auch Kriminalpsychologe Rudolf Egg. «Würden Sie ein zehnjähriges Kind ins Gefängnis stecken wollen? Wohl nicht», so Egg im Interview mit dem SWR. Statt an der Strafmündigkeit zu schrauben, solle man sich vielmehr fragen, wie man mit Kindern umgehe, die solche Taten begehen.
So sieht das auch Theresia Höynck, Professorin für Kinder- und Jugendkriminalität an der Universität Kassel. Zu «Focus» sagt sie: «Jugendgefängnisse sind nicht der richtige Ort, um mit auffälligen unter 14-Jährigen umzugehen, hier braucht es pädagogische und therapeutische Institutionen und Konzepte.» (dzc/AFP)
* Name bekannt