28 tote Menschen, darunter 20 Kinder. Dies war die Horror-Bilanz des Amoklaufs an der Sandy Hook Elementary School in der US-Kleinstadt Newton im Jahr 2012. Sofort war Wayne LaPierre (71) zur Stelle. Der Chef der US-Waffenlobby NRA (National Rifle Association) sagte den US-Amerikanern, «das Einzige, was einen bösen Menschen mit einer Waffe stoppt, ist ein guter Mensch mit einer Waffe.»
Knapp ein Jahr später reiste LaPierre mit seiner Frau Susan ins Okavango Delta in Botswana, wo sie das Ziel hatten, afrikanische Elefanten zu schiessen, die grössten an Land lebenden Tiere der Welt. Der Trip wurde von einer NRA-gesponserten TV-Crew gefilmt, LaPierre wollte vor allem bei Jägern gut ankommen, die zu den grössten Unterstützern seines Vereins gehören. Der Film wurde nie veröffentlicht.
Vier Schüsse sind nicht genug
Warum? Das zeigen Aufnahmen, die «The New Yorker» und «The Trace» nun öffentlich machen – acht Jahre nach der Reise. Auf dem Video ist zu sehen, wie die lokalen Führer einen dieser riesigen Elefanten ausfindig machen. LaPierre zielt, trifft, das Tier kippt auf die Seite. «Guter Schuss», versichern ihm seine Kompagnons. «Haben wir ihn?», fragt LaPierre etwas ungläubig. Zusammen mit den Begleitern läuft er zum Tier und wie sich herausstellt, lebt es noch, liegt allerdings bewegungslos da.
Die Jäger nähern sich erneut, Abstand zum Elefanten nun etwa fünf Meter. Einer der Touristenführer läuft zum Elefanten, zeigt LaPierre, wo er hinschiessen muss: «Genau hier». Läuft zurück, LaPierre schiesst. Blickt verdutzt. Das Tier lebt noch. Der Führer sagt ihm, er solle doch niederknien für den nächsten Versuch.
LaPierre ist entschlossen, schiesst – wieder vorbei. Der Führer steht ungläubig daneben: «Ich denke, es ist noch nicht beendet. Wohin schiesst du denn?» «Wohin du es mir sagst», antwortet LaPierre. Der Führer fragt einen NRA-Kollegen von LaPierre, ob nicht lieber er schiessen möchte. Keine Chance. Der Führer läuft zum Tier, zeigt LaPierre nochmals, wo er hinschiessen soll. Der antwortet: «Ok, das schaffe ich».
LaPierre steht auf, wird vom Führer zum Niederknien aufgefordert, schiesst – und verfehlt erneut. Auf dem Gesicht des Führers zeichnet sich ein Schmunzeln ab. Er sagt einem Kollegen von LaPierre: «Komm, mach du». Der setzt einmal an und tötet das Tier. Danach lobt er LaPierre: «Du hast ihn erschossen, als gäbe es kein Morgen.»
Neben dem Elefanten sitzend und über den ersten Schuss sinnierend, sagt der Führer: «Alles was zählt, ist, dass er zu Boden ging.» LaPierre lacht und sagt: «Vielleicht hatte ich ein wenig Glück.»
Seit über 40 Jahren in der NRA
Später am Tag ist auch LaPierres Frau dabei. Wieder treffen sie einen Elefanten mit dem ersten Schuss, wieder geht dieser zu Boden, lebt aber noch. Wieder nähern sie sich dem Tier bis auf wenige Meter, dieses Mal ist es allerdings Susan, die abdrücken darf. Sie erschiesst das Tier im ersten Versuch. Danach schneidet sie seinen Schwanz ab und hält ihn als Trophäe in die Höhe.
Wayne LaPierre arbeitet seit 1977 für die NRA, seit 1991 ist er Geschäftsführer. Er soll dafür rund eine Million Dollar pro Jahr erhalten. Die NRA hat das Ziel, möglichst liberale Waffengesetze durchzuboxen und den zweiten Verfassungszusatz durchzusetzen, der jedem US-Bürger das Recht auf privaten Waffenbesitz zusichert.
Konkurs als Ausweg?
Doch die NRA gerät immer stärker in die Kritik. 2019 kamen Berichte auf, die von riesigen Schulden zeugten welche mit Betrug zu verwischen versucht wurden. New Yorks Generalstaatsanwältin Letitia James warf der Führung vor, 64 Millionen Dollar veruntreut und sich selbst bereichert zu haben. Im Januar meldete die NRA Konkurs an. Beobachter sagen, damit wollte man einer Strafverfolgung entgehen. Die NRA bestreitet das und sagt, sich in Texas neu aufzustellen.
Wayne LaPierre ist überall mittendrin. Er attackiert seit Jahrzehnten Waffen-Gegner als «Elite», die nichts vom Leben der US-Amerikaner verstehen. Dieses Video kommt da zur ungünstigsten Zeit. In Botswana zu jagen kostet zehntausende Franken pro Person, berichten die US-Medien. Zudem drohen die afrikanischen Elefanten ausgerottet zu werden, weil ihre natürlichen Lebensräume zerstört werden, wie Experten kürzlich sagten.
Ob das Video darum nie veröffentlicht wurde, ist nicht klar. Vielleicht lag es auch daran, dass die mächtigste Waffenlobby des Planeten nicht zeigen wollte, dass ihr Chef kaum mit einer Waffe umgehen kann. (vof)