Darum gehts
Papst Fraziskus hat posthum ein Wunder bewirkt: Keinem anderen wäre es gelungen, die beiden Streithähne Donald Trump (78) und Wolodimir Selenski (47) in trauter Zweisamkeit zusammenzubringen. Kurz vor der Messe zu Ehren des Pontifex am Samstagmorgen aber setzten sich der amerikanische und der ukrainische Präsident in einem Nebenschiff des Petersdoms für eine Viertelstunde zusammen.
Wie spontan das geopolitische Stühlerücken im vatikanischen Kirchenschiff zustande kam, zeigt der Umstand, dass die katholischen Gastgeber ursprünglich drei samtene Stühle bereitstellten. Doch Emmanuel Macron (47), der offenkundig ebenfalls gerne am post-päpstlichen Spitzensitzen teilgenommen hätte, wurde von Trump vor laufender Kamera relativ unsanft weggeschickt. Selenski und Trump also, ganz allein, beim ersten Aufeinandertreffen nach dem Rauswurf des Ukrainers aus dem Weissen Haus am 28. Februar. Was dabei rauskam: eine Trump’sche 180-Grad-Wende und eine wahrhaftige Ohrfeige für Wladimir Putin (72), mit der so niemand gerechnet hätte.
Kurz nach dem Treffen setzte Trump auf seiner Plattform Truth Social eine Botschaft ab, die sich in Inhalt und Tonfall radikal unterscheidet von allem, was er bislang zum Ukraine-Krieg gesagt hat. «Es gab keinen Grund für Putin, in den vergangenen Tagen Raketen auf zivile Ziele, Städte und Dörfer abzufeuern. Das weckt in mir den Verdacht, dass er den Krieg vielleicht gar nicht stoppen will. (...) Vielleicht muss man ihn anders behandeln», schrieb Trump.
Was eine Lippenleserin über das Treffen enthüllt
Was Trump zu seiner klaren Kante gegen Moskau bewogen hat, bleibt unklar. War es die mächtige marmorne Kulisse des Petersdoms, die ihn zur Vernunft brachte? War die Botschaft ein Geburtstagswunsch seiner aus Slowenien stammenden Frau Melania, die just an jenem Tag ihren 55. Geburtstag feierte? Oder waren es vielleicht doch Selenskis Argumente, die Trump überzeugten?
Die Lippenleserin Nicola Hickling jedenfalls sagte gegenüber der britischen Zeitung «The Sun», Trump habe Selenski während des Gesprächs gesagt: «Das ist eine sehr interessante Strategie. Du hast meine Zusicherung!» Zuvor soll Selenski Trump erklärt haben: «Ich möchte das sehr gerne tun, aber nicht auf diese Art und Weise.»
Worüber die beiden ganz genau gesprochen haben, bleibt vorläufig ihr Geheimnis. «Sehr produktiv» sei das Treffen gewesen, liessen beide Seiten verlauten. «Es ging um heikle Fragen, deshalb kann ich keine Details nennen», betonte Selenski.
Bringt die Franziskus-Abdankung also tatsächlich die Wende in der verfahrenen Suche nach Frieden in Osteuropa? Es wäre nicht das erste (wenn auch sicher das letzte) Mal, dass der 266. Papst der Geschichte einen geopolitischen Durchbruch herbeiführt. Schon 2014, ein Jahr nach seiner Wahl zum Pontifex, erwirkte er mit geheimen Briefen an US-Präsident Barack Obama (63) und den kubanischen Präsidenten Raúl Castro (93), dass die beiden Länder sich ziemlich überraschend wieder annäherten.
Selenski macht Trump neuen Vorschlag
Die Ausgangslage mit Blick auf den Ukraine-Krieg aber bleibt verkantet. Die Ukraine hat einem bedingungslosen 30-tägigen Waffenstillstand zugestimmt, während dem über den Frieden verhandelt werden soll. Russland aber terrorisiert die ukrainische Bevölkerung weiter täglich mit Raketen- und Drohnenangriffen.
Dem jüngsten amerikanischen Friedensvorschlag, der unter anderem die Anerkennung der Halbinsel Krim als russisches Territorium beinhaltet, erteilte Selenski jüngst einen Korb. Ein neuer ukrainischer Gegenvorschlag – unterstützt von Frankreich und Grossbritannien – fordert stattdessen europäische Sicherheitstruppen mit amerikanischer Schutzgarantie zur Sicherung einer Waffenstillstandslinie sowie die Freigabe eingefrorener russischer Gelder zum Wiederaufbau der Ukraine. Explizit nicht erwähnt im ukrainischen Vorschlag sind der Nato-Beitritt und die militärische Rückeroberung der an Russland verlorenen Gebiete.
Putins Sprecher liess am späten Samstagabend ausrichten, Russland sei zu bedingungslosen Gesprächen mit der Ukraine bereit. Das ist ein Anfang, auch wenn uns die Geschichte lehrt, dass Moskaus Worte etwa so viel Wert sind wie die mittelalterlichen Heilsversprechen katholischer Ablasshändler. Damit das posthume Franziskus-Wunder Wirklichkeit wird, braucht es aber mehr als einen Trump-Post auf Truth Social.