Auf einen Blick
- Flugzeugabsturz in Südkorea: Boeing 737 explodiert nach Bruchlandung ohne Fahrwerk
- Experten kritisieren Mauer am Ende der Landebahn als mögliche Unfallursache
- 179 Menschen sterben, nur 3 Überlebende bei schlimmstem Flugzeugunglück Südkoreas
Ohne ausgeklapptes Fahrwerk schlittert die Boeing 737-8AS über die Landebahn. Am Ende der Strecke zerschellt die Maschine an einer Mauer. Mit dramatischen Folgen: Das Flugzeug explodiert. Nur zwei Insassen überleben das Inferno. 179 Menschen sind auf der Stelle tot. Darunter eine Familie. Ein Vater und seine zwei Söhne wollten mit ihrem Verwandten Maeng Gi-Su (78) gemeinsam feiern, dass der Jüngste seine College-Aufnahmeprüfungen bestanden hatte. Doch zum Wiedersehen kam es nicht mehr. «Ich kann nicht glauben, dass die ganze Familie einfach verschwunden ist», sagt Gi-Su zu BBC.
Die Bilder vom Absturz der Maschine der Billigfluglinie Jeju Air im Südwesten Südkoreas gingen am Sonntag um die Welt. Der Vorfall gilt als das bislang tödlichste Flugzeug-Unglück auf südkoreanischem Boden.
Rund 68'000 Tickets für nationale und internationale Verbindungen zurückgegeben
Noch immer suchen Ermittler nach der Ursache. Vermutet wird bislang, dass ein Vogelschlag – also der Zusammenprall mit einem oder mehreren Vögeln – zu Problemen am Fahrwerk geführt hatte. Weitere Erkenntnisse erhoffe sich die Ermittler von den beiden geborgenen Flugschreibern, von denen einer allerdings beim Aufprall beschädigt wurde. Die Analyse könnte Monate dauern, berichtete die Nachrichtenagentur Yonhap.
Zahlreiche Menschen stornierten unterdessen ihre Buchungen bei Jeju Air. Die Firma gab laut Medienberichten bekannt, dass bis Montagmittag (Ortszeit) rund 68'000 Tickets für nationale und internationale Verbindungen zurückgegeben wurden, die meisten davon nach dem Unglück.
«Es grenzt an ein Verbrechen»
Gleichzeitig sorgt die Mauer am Ende der Landebahn für Diskussionen. Luftfahrtexperten wundern sich, wieso da überhaupt eine Mauer stand. Denn: Ohne sie wäre das Flugzeug vermutlich einfach weiter über den Boden geschlittert und später zum Stillstand gekommen. Für den britischen Flugsicherheitsexperten David Learmount ist deswegen klar: Erst die Mauer hat zur Katastrophe geführt. «Ich glaube, es grenzt an ein Verbrechen, dass sie dort stand», sagt er zu Sky News.
Die Piloten an Bord hätten das Beste aus der Situation gemacht. Trotz fehlendem Fahrwerk sei die Maschine wunderbar auf den Boden aufgesetzt worden. Erst die Mauer habe diese Bruchlandung zur Todesfalle gemacht. Learmount weiter: «Da wäre genügend Platz für das Flugzeug gewesen, um abzubremsen und zum Stehen zu kommen.»
Dass eine Mauer am Ende einer Landebahn steht, habe er noch nie so gesehen. Der internationale Flughafen Muan wurde 2007 eröffnet. Satellitenbilder zeigen, dass die Betonkonstruktion schon seit vielen Jahren am südlichen Ende der Landebahn, nahe dem Begrenzungszaun, steht.
Südkorea mitten in einer Staatskrise
Hätte es bloss einen Sicherheitszaun gehabt, wäre vermutlich niemand gestorben, glaubt der britische Experte. «Ich denke, alle wären am Leben geblieben.» Auch Luftfahrtexpertin Sally Gethin kann es nicht fassen, dass eine Mauer ausgerechnet an so einem heiklen Ort hochgezogen wurde. Dass alle überlebt hätten ohne die Mauer, glaubt Gethin aber nicht. Dafür war die Maschine bei der Bruchlandung noch zu schnell, «sodass es möglicherweise eine Katastrophe hätte geben können, selbst wenn am Ende der Landebahn mehr Platz gewesen wäre».
Am Flughafen herrschte nach dem Unglück grosse Trauer. Die Airline entschuldige sich bei den Angehörigen, ihr Chef übernahm die Verantwortung. In einer temporär eingerichteten Leichenhalle wurden die Körper der Toten aufgebahrt. Das Unglück trifft Südkorea während einer schweren Staatskrise, in der Präsident Yoon Suk Yeol suspendiert wurde. Der geschäftsführende Präsident Südkoreas, Choi Sang Mok, rief eine siebentägige Staatstrauer aus. Am Montag beriet er mit dem Sprecher des Parlaments, Woo Won Shik, über mögliche Hilfsmassnahmen für die Opfer des Unglücks.