In dem 120 Jahre alten Gebäude in Allensbach (D) am Bodensee ist Kurt Müller einst aufgewachsen. Anfangs war es ein Bauernhaus, heute bietet es Wohnraum für sechs Parteien. Unter offenen Dachbalken in der obersten Wohnung lebt der über 70-jährige Kurt Müller mit seiner Ehefrau Uta auch heute noch. Liebevoll haben sie das Gebäude während drei Jahrzehnten immer wieder renoviert.
Doch mittlerweile liegt das Haus nicht mehr in ihrem Besitz. Denn die Müllers entschieden sich zu einem ungewöhnlichen wie selbstlosen Schritt: Sie haben das Gebäude einer Stiftung geschenkt.
«Wir kamen zur Erkenntnis, dass es uns reicht, auch ohne Haus», sagt Müller dem «Südkurier». Die monatlichen Mieteinnahmen der fünf anderen Wohnungen von 3000 Euro (umgerechnet etwa 2880 Franken) gehen nun an die Bürgerstiftung Allensbach. Die Stiftung unterstützt Projekte, die sozialen Zwecken und der Umwelt dienen.
Das Ehepaar gibt sich inmitten einer ausufernden Konsumgesellschaft mit wenig zufrieden. Wozu ein neues Auto kaufen, wenn es doch auch der 16 Jahre alte Lancia Musa in der Garage tut? Die Rentner bevorzugen sowieso das Velo. Statt nach Bali oder in die Karibik zu jetten, verbringen sie ihre Ferien am liebsten auf der Schwäbischen Alb oder im Schwarzwald.
Schenkung wegen fehlender Erben?
In der Gemeinde sorgte der Entscheid zunächst für Unverständnis, wie der «Südkurier» weiter berichtet. Spekulationen kamen auf, dass den Müllers Erben fehlen. Doch Kurt Müller widerspricht: Es gebe fünf Nichten und einen Neffen. Die seien «alle gut versorgt» und hätten den Entscheid akzeptiert.
Die Müllers haben sich bewusst gegen den Wahn des materiellen Besitzes gestellt. Inspiriert wurden sie von Denkern wie Erich Fromm, der in seinem Buch «Haben oder Sein» die Frage stellte, ob mehr Besitz wirklich glücklicher mache. Für Uta und Kurt Müller ist die Antwort klar.