Die vierte Impfung gegen das Coronavirus sorgte bereits für viele Diskussionen. Eine zentrale Frage in dem Zusammenhang: Braucht es überhaupt einen zweiten Booster nach drei Monaten, um sich gegen das Virus zu schützen? Die Meinungen der Expertinnen und Experten gehen auseinander.
Die Schweiz sieht von einer Empfehlung für die vierte Impfung, egal ob Risikoperson oder nicht, weiterhin ab. Man wolle schwere Infektionen verhindern, was in einer gut immunisierten Bevölkerung, wie jener der Schweiz, der Fall sei. Daher brauche es eine vierte Impfung, zumindest momentan, nicht. Dies erklärte Impfchef Christoph Berger (59) Mitte März.
Vierte Impfung schützt nur gering vor Omikron
Die deutsche Virologin Sandra Ciesek spricht sich nun klar gegen eine vierte Corona-Impfung aus. Denn: Eine zweite Auffrischungsimpfung führte zwar zu einem Anstieg der neutralisierenden Antikörper gegen die Varianten Alpha, Beta, Delta und Omikron – doch gegen die Omikron-Untervarianten BA.1 und BA.2 blieb ebendiese neutralisierende Kapazität gering.
In einer Studie, die sich noch im Preprint befindet, erläutern sie und weitere Forschende ihre Erkenntnisse etwas weiter. An der Studie nahmen 26 Personen mit einem Durchschnittsalter von 49 Jahren teil, die rund vier Monate bis zu zwei Wochen nach ihrem ersten Booster zum vierten Mal geimpft wurden. Die Menge der Antikörper wurde kontinuierlich gemessen.
«Insgesamt deuten unsere Daten auf einen geringeren Schutz vor Durchbruchsinfektionen mit der Omikronvariante im Vergleich zu anderen Coronavarianten nach vier Impfdosen hin», erklärt Ciesek auf Twitter. «Das sagt natürlich nichts aus zum Schutz vor einem schweren Verlauf». Denn eine vierte Impfung könnte gegen einen schweren Krankheitsverlauf schützen.
Ältere Personen profitieren von zweitem Booster
Die Feststellung, dass die Auffrischungsimpfung zu erhöhten, aber niedrigen Spiegeln neutralisierender Antikörper führte, könnte daher so interpretiert werden, heisst es in der Studie, dass Risikopersonen wie immungeschwächte Patienten oder ältere Menschen, die eine ausgeprägte Immunabschwächung und ein hohes Risiko für schwere Erkrankungen aufweisen, von einer Impfung alle drei Monate profitieren könnten. Dies insbesondere in Zeiten, wo die Corona-Infektionen wieder ansteigen.
Die positive Wirkung einer regelmässigen Impfung der jungen und gesunden Bevölkerung könnte allerdings begrenzt sein, da die Infektionsrate mit Omikron derzeit noch hoch und die Krankheitslast gering sei. «Ausserdem könnte angesichts der ungleichen Verteilung der Impfungen weltweit der Nutzen von Impfungen mit einer Dauer von weniger als sechs Monaten für die gesunde Bevölkerung vernachlässigbar sein, primär in Zeiten geringer Inzidenz», so die Forschenden.
Ein anderer Ansatz bestehe laut den Forschenden in der Entwicklung und Markteinführung von Impfstoffen gegen Varianten wie Omikron, die kürzlich von Pharma-Unternehmen angekündigt wurden. Diese variantenspezifische Impfstoffentwicklung scheint jedoch durch die schnelle Entwicklung des Coronavirus und dem Risiko künftiger bedenklicher Varianten behindert zu werden.
Die Forschenden vermuten, dass die Omikronvarianten aufgrund des evolutionären Drucks in der durchseuchten und geimpften Bevölkerung entstanden ist, der das Virus zur Entwicklung von «Immun-Escape-Varianten» zwingt – ein Phänomen, das wahrscheinlich fortbestehen wird und sich noch verstärken könnte, «wenn sich der endemische Zustand nähert und die Massnahmen verschwinden». Somit stellen die Forschenden wohl noch weitere Coronavarianten in Aussicht. (chs)