Wenn Nico W.* (41) zu seinen Freunden sagte «Entschuldigung, ich muss auf die Toilette», holte er sich auf dem stillen Örtchen einen runter. Nico ist sexsüchtig. Den ganzen Tag denkt der Brite an das Eine, auch unbewusst. «Es verschlingt dein Leben völlig», erzählt er der «Daily Mail». Kuscheln auf dem Sofa, Händchenhalten, selbst wenn er auf der Strasse an einer attraktiven Frau vorbeigeht: Nico denkt an Sex.
Eigentlich beginnt alles normal: Seine Jungfräulichkeit verliert er mit 15 Jahren an seine Jugendliebe. «Wir waren zwei verliebte, lustvolle Teenager, die, so oft wir konnten, Sex hatten.» Die Trennung folgt, als Nico sein Studium beginnt. Dort, vermutet er, begann seine Sucht. Mit einem Freund wetteifert er, wer mehr Frauen ins Bett locken kann. «Von diesem Moment an konzentrierte ich mich überall, wohin ich ging, darauf, eine Frau aufzureissen», schreibt Nico.
Er macht Komplimente und täuscht Interesse vor
Es spielt keine Rolle, ob er sich zu ihr hingezogen fühlt. Sex ist alles, was für ihn zählt. Probleme, Frauen ins Bett zu kriegen, hat er keine. Nicht wegen seines Aussehens, analysiert Nico. Er beschreibt sich selber als durchschnittlich. Sondern weil er sein Handwerk verfeinert habe: Charmant zu sein, subtile Komplimente zu machen, Interesse vorzutäuschen. «Eigentlich war es mir egal, innerhalb von Sekunden nach der Ejakulation konnte ich ohne einen Gedanken abhauen. Sex und Liebe waren zwei völlig getrennte Einheiten.»
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Und dann lernt er Julia* auf einer Silvesterparty kennen. Er verliebt sich, geht eine monogame Beziehung ein. Bis zu zehn Mal pro Woche haben sie zu Beginn ihrer Beziehung Sex. Doch nach einem Jahr beginnt sich Nico zu langweilen. Er geht ein Doppelleben ein, gibt seiner Freundin abends vor, spazieren zu gehen. Stattdessen besucht er Prostituierte oder lacht sich Frauen in Bars an. Niemand weiss von seiner Sexsucht. «Trotz meiner Prahlerei verspürte ich ein tiefes Schamgefühl.»
Er schaute Pornos, während sie schlief
Als sie nach fünf Jahren Beziehung heiraten, hat Nico hinter ihrem Rücken bereits mit über 300 anderen Frauen geschlafen, behauptet er. «Ich brauchte kein luxuriöses Hotelzimmer, mein Auto oder eine alte öffentliche Toilette reichten aus.» Standardsex befriedigt ihn bald nicht mehr. Seine Frau reagiert verunsichert auf seine Fantasien, zieht sich zurück. «Ich habe Unmengen an Pornos konsumiert, während sie geschlafen hat.»
Nach drei Jahren Ehe findet Julia heraus, dass ihr Mann sie betrogen hat. Eine Paartherapie kann ihre Beziehung nicht retten. Als Julia die Scheidung einreicht, drückt Nico den «Selbstzerstörungsknopf», wie er es nennt: Er schläft mit mehr als zehn Frauen pro Woche.
Therapeutin hilft ihm, Sucht zu verstehen
Ein Umdenken findet erst statt, als er seine jetzige Freundin kennenlernt. Nach der ersten gemeinsamen Nacht beichtet er ihr alles. Inzwischen befindet sich Nico in Behandlung. Die Sexualtherapeutin hilft ihm, seine Sucht zu verstehen. «Dass es eigentlich nicht um Sex geht, sondern darum, akzeptiert zu werden und Aufmerksamkeit zu erlangen.» Zur Therapie gehört auch, dass er Verflossene kontaktiert und sich bei ihnen entschuldigt.
Heute geht es Nico besser. Ganz genesen wird er aber wohl nie. «Einmal süchtig, immer süchtig.» Irgendwann hätte er gerne eine eigene Familie. Doch die Angst, dass er die Mutter seiner Kinder betrügen könnte, ist allgegenwärtig.
* Name geändert