New Yorker Richter vor unmöglicher Aufgabe
Scheitert Trumps Porno-Prozess schon an der Jury-Wahl?

Sie müssen mündig sein, in Manhattan wohnen – und dürfen keine Meinung haben zu Donald Trump: Diese Vorgaben müssen die 18 Jurorinnen und Juroren für den Trump-Prozess erfüllen. Und: Auch ihre Einstellung zu Porno-Darstellerinnen spielt eine Rolle.
Publiziert: 09.04.2024 um 16:43 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2024 um 08:38 Uhr
Donald Trump soll der Pornodarstellerin Stormy Daniels Schweigegeld bezahlt haben – mitten im Präsidentschaftswahlkampf.
Foto: AFP
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Nichts ist unmöglich. Die Aufgabe, vor der Juan Merchan (60) steht, kommt aber sehr nah dran. Der New Yorker Richter muss ab nächstem Montag 18 Menschen mit Wohnsitz in Manhattan finden, die keine Meinung haben zu Donald Trump (71); jenem Mann, der so sehr polarisiert wie wohl kein zweiter auf Erden. Zwölf von ihnen werden als Geschworene in Trumps Schweigegeld-Prozess über das Schicksal des Ex-Präsidenten entscheiden müssen, sechs sitzen auf der Jury-Ersatzbank.

Seit Montag ist klar, wie Richter Merchan das schaffen will: mit einem 42 Fragen umfassenden Interview, dem sich die wohl rund 500 aufgebotenen potenziellen Juroren stellen müssen. Blick hat den Fragebogen durchgeschaut – und nicht schlecht gestaunt

Vorweg: Dass Laien als Geschworene zu Prozessen vorgeladen werden und dort über Schuld oder Unschuld der Angeklagten befinden müssen, ist in den USA gang und gäbe. Auch in der Schweiz gab es bis 2011 solche Jury-Prozesse.

Wie halten Sie es mit Pornodarstellerinnen?

Der Jury-Dienst ist in Amerika Bürgerpflicht, genau wie das Steuern zahlen. Aufgeboten werden kann jeder und jede mit Wohnsitz innerhalb des Bezirks, in dem das entsprechende Gericht liegt. Voraussetzung ist, dass man US-Bürger, unbestraft und volljährig ist – und eben: dass man keine Meinung zum Angeklagten hat.

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Um sie gehts im Prozess: Donald Trump soll der Pornodarstellerin Stormy Daniels Schweigegeld bezahlt haben – mitten im Präsidentschaftswahlkampf.
Foto: Getty Images for The Cambridge Union

Auffällig ist zuerst einmal, was Richter Merchan, ein gebürtiger Kolumbianer, von den Juroren nicht wissen will: Sie müssen weder ihre Parteizugehörigkeit noch ihr vergangenes Wahlverhalten offenlegen. Ob jemand also Trump gewählt hat oder registrierter Demokrat ist, spielt in den Augen des Richters keine Rolle. Trumps Anwaltsteam protestierte zwar lauthals dagegen – aus Furcht, Trump könnte es vor Gericht mit lauter Biden-Wählern zu tun bekommen. Richter Merchan aber sagt, die 42 Fragen würden reichen, um parteiische Jury-Kandidaten auszusieben.

Wissen will Merchan nebst Grundsätzlichem wie Beruf, Ausbildung, Zivilstand, Gesundheitszustand und vergangene Jury-Einsätze auch sehr private Dinge. So müssen Juroren in den Interviews offenlegen, was für Medien sie konsumieren, ob sie Trumps Bücher gelesen hätten oder zu Stereotypisierungen von bestimmten Gruppen neigen. Der letzte Punkt spielt klar auf Trumps Kontrahentin vor Gericht an, die Pornodarstellerin Stormy Daniels (45).

Dauert's bei Trump noch länger als bei Harvey Weinstein?

Natürlich interessiert sich Merchan auch für die Haltung der Geschworenen zu Trump. Sie müssen angeben, ob sie ihm auf den sozialen Medien folgen, ob sie je an einer seiner Rallys waren, seine Newsletter lesen, für ihn oder eine seiner Firmen gearbeitet haben oder für eine Anti-Trump-Organisation tätig waren.

Seltsam mutet die Frage nach vergangenen Kontakten mit der Polizei an: «Hatten Sie je eine Begegnung mit der Polizei oder der Justiz, die dazu geführt hat, dass Sie danach eine negative oder positive Sicht auf die Polizei oder die Justiz hatten?»

Kurz: Richter Merchan sucht nach 18 mündigen Menschen aus Manhattan, die weder eine Meinung zu Trump, noch eine Meinung zu Pornodarstellerinnen, noch eine positive oder negative Erfahrung mit der Polizei hatten. Dürfte schwierig werden. Im Fall des Sexualstraftäters und Ex-Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein (72), der sich vor demselben Gericht verantworten musste, dauerte die Auswahl der Jury volle zwei Wochen.

Gut möglich, dass es in Trumps Schweigegeld-Prozess deutlich länger geht. Schliesslich haben beide Seiten das Recht, die ausgewählten Juroren zu verhören und je zehnmal ein Veto gegen die vorgeschlagenen Unparteiischen einzulegen.

Juristisches Schlupfloch für Mörder

Denkbar wäre theoretisch auch, dass der Prozess gegen Trump daran scheitert, dass das Gericht gar nie 18 Personen findet, die sämtliche Hürden für den Jurorendienst nehmen. Das amerikanische Magazin «The Atlantic» hat einst den struben Gerichtsfall in einem dünn besiedelten Gebiet im Bundesstaat Idaho aufgerollt, in dem es unmöglich war, für ein Verfahren genügend Juroren zu finden, die den Angeklagten nicht persönlich kannten. Das Magazin hält fest, dass man in diesem Bezirk theoretisch sogar mit Mord davonkäme, weil einem gar nie ein fairer Prozess geboten werden könnte.

Manhattan ist nicht Idaho – und Trump kein Mörder. Die Aufgabe aber bleibt gigantisch schwierig. Und das gebannte Publikum muss sich also noch länger gedulden, bis der erste Kriminalprozess gegen einen Ex-Präsidenten in der US-Geschichte endlich losgeht.

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