Die Ministerpräsidentenkonferenz der deutschen Bundesländer wollen bei der Unterstützung von Flüchtlingen neue Wege gehen. Dabei sollen vermehrt Sach- statt Geldleistungen zum Einsatz kommen. Zwei Kreise in Thüringen spielen dabei eine Vorreiterrolle: Sie führen ein neuartiges Bezahlsystem für Asylsuchende ein.
Im Zentrum steht dabei eine Bezahlkarte, die wie eine Prepaid-Karte vom entsprechenden Landkreis mit Guthaben aufgeladen werden kann. Auf die Karte wird das Taschengeld der Asylsuchenden gebucht, mit dem sie dann in Geschäften einkaufen können.
Nur in jeweiliger Region einsetzbar
So ist es für die Flüchtlinge nicht mehr möglich, mit Bargeld abzutauchen. Auch Überweisungen ins Ausland werden unterbunden. Das Besondere an der Karte ist, dass sie auch ohne Bankkonto funktioniert. Sie kann zudem nur in Geschäften in der jeweiligen Region eingesetzt werden.
Die Behörden wollen auf diese Weise verhindern, dass Asylsuchende mit dem Taschengeld Schulden bei Schleppern begleichen oder Beträge in ihr Heimatland überweisen. Zudem wollen sie damit die Attraktivität von Deutschland als Asylland senken.
Landrätin lobt Projekt als «vollen Erfolg»
Bei den beiden Thüringer Landkreisen, die das neue System schrittweise als Erste einführen, handelt es sich um Greiz und Eichsfeld. Die Greizer Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) lobt das Projekt als «vollen Erfolg». Auch die Verantwortlichen in Eichsfeld zeigen sich zufrieden.
Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Umstellung scharf. Zwar bekommen die Asylsuchenden weiterhin einen Teilbetrag in bar, damit sie Kosten, die nur auf diese Weise beglichen werden können, weiterhin bezahlen können. Doch Ellen Könneker vom Thüringer Flüchtlingsrat warnt: «Mit den geringen Leistungssätzen müssen Betroffene jetzt mühselig jonglieren, wo sie die Karte einsetzen können und wie sie Zahlungsaufforderungen gerecht werden können, wenn der Barbetrag aufgebraucht ist.»
«Wird die Spreu vom Weizen trennen»
Als weniger problematisch beurteilt dies Dagmar Pöhland, zuständig für Flüchtlingsbetreuung in Greiz. «Die meisten akzeptieren die Umstellung und sind froh, dass sie überhaupt etwas bekommen», sagt Pöhland. «Die Bezahlkarte wird die Spreu vom Weizen trennen. Wer wirklich auf der Flucht ist, dem ist die Auszahlungsweise egal.»
Aber bereits im Dezember hätten 15 Flüchtlinge gesagt: «Wir wollen keine Karte, wir wollen Bargeld.» Kurz darauf seien sie abgereist, wie Pöhland gegenüber «Bild» erklärt. Den Informationen der Zeitung zufolge stieg diese Zahl der Abgereisten seit Einführung der Karte bis Mitte Januar um ein Vielfaches.
Auch im Landkreis Eichsfeld seien 35 Asylbewerber aufgrund der Einführung der Bezahlkarte ausgereist, berichtet die «NZZ». 17 Asylbewerber haben sich den Informationen von Landrat Werner Henning (CDU) zufolge nach der Umstellung eine Arbeitsstelle gesucht. (noo)