Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg (63) bekräftigte am Sonntag, dass der Krieg in der Ukraine lediglich am Verhandlungstisch beendet werden kann. Jedes Friedensabkommen fordere auch Kompromisse, so Stoltenberg. Auch in Bezug auf Territorium.
Stoltenberg äusserte sich bei den jährlichen Kultaranta-Gesprächen in Finnland. Auch der Westen sei bereit, für die Stärkung des ukrainischen Militärs «einen Preis zu zahlen», sagte der Vorsitzende des transatlantischen Verteidigungsbündnisses. Aber Kiew werde Moskau einige territoriale Zugeständnisse machen müssen, um den Konflikt zu beenden.
Frieden habe seinen Preis, sagte Stoltenberg: «Frieden ist möglich. Die Frage ist nur: Welchen Preis sind (die Ukrainer) bereit, für den Frieden zu zahlen? Wie viel Territorium, wie viel Unabhängigkeit, wie viel Souveränität sind sie bereit, für den Frieden zu opfern?»
Widersprüchliche Signale an Kiew
Stoltenberg legte keine konkreten Vorschläge der Nato vor, wie den Konflikt zu beenden. Es sei «Sache derjenigen, die den höchsten Preis zahlen, diese Entscheidung zu treffen». Die Nato und der Westen würden den Ukrainern weiterhin Waffen liefern, um «ihre Hand zu stärken», wenn schliesslich eine Lösung ausgehandelt werde.
Dabei erwähnte Stoltenberg auch Finnland, das Karelien im Rahmen eines Friedensabkommens während des Zweiten Weltkriegs an die Sowjetunion abtrat. Stoltenberg bezeichnete die finnisch-sowjetische Vereinbarung als «einen der Gründe, warum Finnland aus dem Zweiten Weltkrieg als unabhängige, souveräne Nation hervorgehen konnte».
Stoltenbergs Erklärung erfolgt in einer Zeit, in der die westliche Allianz mit Kiew nicht mehr so bedingungslos scheint wie zu Kriegsbeginn. Offiziell verlautet insbesondere aus US-amerikanischen und britischen Kreisen weiterhin, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland gewinnen kann. Mahner wie der französische Präsident Emmanuel Macron (44) warnen davor, Moskau in die Enge zu treiben.
«Ukraine-Ermüdung»
Schon der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) warf dem Westen unlängst «Kriegsermüdung» vor. Es gebe ausländische Kreise, die Kiew voreilig zu Friedensverhandlungen drängen würden.
Die einflussreiche internationale Medienplattform Open Democracy spricht von einer «Ukraine-Ermüdung». Die internationale Gemeinschaft sei den «Krieg Russlands gegen die Ukraine leid», so ein Leitartikel: «Für eine Welt, die bereit zu sein scheint, wieder voranzukommen, könnte sich der Widerstand der Ukraine langsam in eine Unannehmlichkeit verwandeln. Und Russland setzt darauf.» (kes)