Zeitgleich zu den Erfolgen im Nordosten treiben die Ukrainer im Süden eine weitere Offensive voran. Diese gestaltet sich als deutlich mühsamer. Unter den 24'000 Mann auf russischer Seite seien viele Fallschirmjäger, die zu den fähigsten Kremltruppen gehören, erklärt der Kommandant einer ukrainischen Drohneneinheit gegenüber dem «Spiegel». Zudem berichten ukrainische Kämpfer, dass ihre Stellungen gut befestigt sind – teils mit Beton. Wie will die Armee von Präsident Wolodimir Selenski (44) dagegen ankommen?
Ein wichtiger Faktor sind die Augen. «Wir sehen 70 Prozent von dem, was die Russen tun», sagt der Chef der Luftaufklärungseinheit. Das Überwachungssystem setzt sich aus drei Bereichen zusammen: Die Drohnen der Spezialkräfte füttern mit ihren Aufnahmen eine in der Ukraine entwickelte Software, die dank künstlicher Intelligenz das Bildmaterial analysiert. Hinzu kommen Hinweise aus der Bevölkerung in den besetzten Gebieten sowie Satellitenaufnahmen ihrer Partner.
«Wir zerstören jeden Tag Ausrüstungen in Millionenhöhe»
Im Süden geht es um das letzte Gebiet westlich des Dnjepr-Flusses, das die Russen kontrollieren. Ein militärisch wichtiger Punkt. Von hier aus könnten sie in Zukunft versuchen, die ukrainische Schwarzmeerküste unter ihre Herrschaft zu bringen. Soweit dürfte es nicht kommen, wie Roman Kostenko (38), der Kommandant der Spezialeinheit am Inhulets, versichert: «Unsere Verteidiger fügen dem Feind viel grössere Verluste zu als er uns, wobei wir viel weniger Mittel aufwenden.»
Hauptverantwortlich dafür ist der geschickte Einsatz der westlichen Waffen. «Unsere Militärs beherrschen sie schnell und passen sie an ihre Kampfeinsätze an.» Auch die Kampfdrohnen aus eigener Produktion zeigen Wirkung: «Wir setzen sie jeden Tag und jede Nacht an der Front ein, um gegnerische Ausrüstung im Wert von mehreren Millionen Dollar zu zerstören.»
Ukrainer erhalten Panzer von Russland
Die Ukraine führt im Süden einen Abnützungskampf. Sie fixieren russische Truppen und sorgen mit ihren Kampfdrohnen immer wieder für Unruhe. Daraus resultiert für den Gegner ein Munitionsverlust, der Nachschub erfordert. Womit die Russen logistische Knotenpunkte offenlegen müssen. Und dort schlagen die Ukrainer unter anderem mit westlicher Präzisionsartillerie zu.
Der psychische Aspekt spricht ebenfalls für die Ukraine sagt «Slon», der Vize-Kommandeur der am Inhulets operierenden Spezialeinheit, zum «Spiegel». «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die vernichtende Niederlage im Nordosten auch auf die Moral der Kremltruppen im Süden auswirkt.» Zudem ergatterten die Ukrainer im Nordosten einige Panzer, die sich im Süden als matchentscheidend herausstellen dürften. «Artek», ein anderer Soldat aus der Spezialeinheit, bezeichnet Minen als eines der grössten Probleme der Ukrainer. Dank zusätzlichen Panzern dürften sich diese Hindernisse in Zukunft verkleinern. (nab)