Nächste Präsidentin von Frankreich?
Darum könnte Le Pen dieses Mal gegen Macron gewinnen

Das Rennen um die französische Präsidentschaft befindet sich in der heissen Phase. Wie schon 2017 stehen sich Emmanuel Macron und Marine Le Pen gegenüber. Damals hatte die Französin keine Chance. Doch dieses Mal sieht es anders aus.
Publiziert: 08.04.2022 um 19:58 Uhr
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Ihre Chancen auf die Präsidentschaft stehen gerade so gut wie noch nie: Bereits zum dritten Mal tritt Marine Le Pen als Präsidentin an.
Foto: AFP
Cédric Hengy

Diesen Sonntag gehts für die Franzosen an die Urne. Sie müssen darüber abstimmen, wer der nächste Präsident wird – oder die nächste Präsidentin. Amtsinhaber Emmanuel Macron (44) von La République en Marche liegt bei Umfragen zwar vorne. Aber eine alte Bekannte ist ihm auf den Fersen: Marine Le Pen (53) vom Rassemblement National.

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Ersten Prognosen zufolge wird es ein Kopf-an-Kopf-Rennen werden. Als wahrscheinlich gilt, dass es in eine Stichwahl geht. Dann müssten die Franzosen am 24. April erneut an die Urne. Bereits 2017 kämpften Macron und Le Pen um die Gunst der Wähler. Damals ging der 44-Jährige als Sieger hervor. Er gewann haushoch mit 66 Prozent der Stimmen und zog in den Elysée-Palast ein, den Amtssitz des französischen Staatspräsidenten.

Nun, fünf Jahre später, könnte Macron schon wieder ausziehen. Dies hält auch der Europa-Experte und Frankreich-Kenner Richard Werly (56) für möglich. «Im Gegensatz zu dem, was man glauben könnte, ist die Situation alles andere als starr. Es kann zu einer Überraschung kommen, insbesondere wenn die Wahlbeteiligung tief ist», sagt er zu Blick.

Anderes Wahlprogramm, anderes Auftreten

In der Tat: Die Chancen für Le Pen stehen so gut wie noch nie. Obwohl Macron zwar immer noch alle Umfragen anführt, schmilzt sein Vorsprung von Tag zu Tag. Zurzeit liegt er laut dem Umfrageinstitut Ifop bei 52 Prozent. Le Pen hat in den vergangenen Monaten eine eindrückliche Aufholjagd hingelegt und kommt auf 48 Prozent der Stimmen. Aber wieso steht Le Pen, anders als 2017, jetzt so gut da?

Sie habe es geschafft, sich als Kandidatin des gesunden Volksempfindens zu inszenieren, erklärt Werly. Auch weil sie ihr Wahlprogramm etwas entschärft hat. «Sie war klug genug zu verstehen, dass sie mit ihrer fremdenfeindlichen und nationalistischen Agenda niemals gewählt werden würde», so der Frankreich-Experte weiter.

In der Vergangenheit sprach sie sich unter anderem für einen Frexit aus, den Austritt Frankreichs aus der EU, analog zu Grossbritannien. Ausserdem wetterte sie gegen Flüchtlinge und machte sich für eine massive Beschränkung der Einwanderung stark. Bei der Mehrheit der Wähler kam das nicht gut an. Inzwischen fordert sie keinen EU-Austritt mehr. Beim Thema Flüchtlinge bleibt sie aber weiterhin hart. Sozialleistungen zum Beispiel sollen in Zukunft nur noch Franzosen zustehen, wenn es nach ihr geht.

Volksnaher Wahlkampf gegen staatsmännische Auftritte

Anfang März hatte es noch so ausgesehen, als sei die Wahl gelaufen. Der Ukraine-Krieg hatte Macron um die fünf Punkte Zuwachs in den Umfragen beschert. Meinungsforscher erkannten darin den Reflex, sich in unsicheren Zeiten um die Fahne zu scharen.

Wozu also Wahlkampf machen? Macrons Strategie bestand darin, den Staatsmann zu geben. Nach jedem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin (69) gab es plötzlich ausgiebige Briefings seiner sonst so pressescheuen Berater.

Während Macron von Gipfeltreffen zu Gipfeltreffen eilte und sich von den Alltagssorgen der Franzosen immer weiter entfernte, zog Le Pen durch das Land und lächelte für unzählige Selfies.

«Emmanuel Macron kennt mein Programm nicht»

Macron versucht, die verlorenen Wähler wieder einzusammeln. Und wettert gegen seine Konkurrentin Le Pen. Sie gebe sich zwar gemässigter, im Kern sei sie jedoch die Gleiche wie vor fünf Jahren. «Grundsätzlich hat sich bei ihr nichts geändert. Es ist ein rassistisches Programm», sagte er zu «Le Parisien».

Das liess Le Pen nicht auf sich sitzen und konterte im Hörfunksender France Info: «Emmanuel Macron kennt mein Programm nicht.»

Tatsächlich hat Éric Zemmour (63), ein wegen Volksverhetzung verurteilter Journalist, viele extreme Positionen aus Le Pens Wahlprogramm aus dem Jahr 2017 übernommen und ihr damit viele Wähler am rechten Rand streitig gemacht. Sogar ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen (32) sprach sich im März für Zemmour aus.

«Niemals war der Wechsel greifbarer als jetzt»

Lange Zeit sah es sogar danach aus, dass Zemmour sie in den Umfragen überholen könnte. Doch dann kam der Ukraine-Krieg, und der 63-Jährige stürzte ab. Seine Verehrung des russischen Präsidenten Wladimir Putin wurde ihm zum Verhängnis. Besonders das Zitat «Ich träume von einem französischen Putin» aus dem Jahr 2018 kostete ihn viele Wähler.

Anders dagegen Marine Le Pen: Nachdem ihr letzter Wahlkampf von russischen Banken mit 9,1 Millionen Euro finanziert worden war, hat sie sich inzwischen von Putin distanziert. Sie erlitt keinen Einbruch bei den Umfragen. Und könnte nun die erste Präsidentin Frankreichs werden.

Dazu will sie den Aufwind nutzen. An einer Veranstaltung in der Stadt Perpignan am Donnerstag rief sie ihren Wählern zu: «Niemals war der Wechsel greifbarer als jetzt.»

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