Die französischen Präsidentschaftswahlen vom 10. April sind geprägt von einem Angriff der extremen Flügel auf den seit fünf Jahren amtierenden Emmanuel Macron (44). Vor allem eine alte Bekannte dürfte Macron gefährlich nahe kommen: Marine Le Pen (53) vom Rassemblement National.
Blick zeigt, wer antritt, welches die heissen Wahlkampfthemen sind und wer die Wahlen gewinnen dürfte.
Wie wählen die Franzosen ihren Präsidenten?
Die Präsidentschaftswahlen finden am 10. April statt. Wenn keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht, kommt es am 24. April zur Stichwahl mit den beiden Bestplatzierten. Seit Jahrzehnten fällt der Entscheid erst im zweiten Wahlgang. Am 12. und 19. Juni folgen die Parlamentswahlen, nach denen der Präsident eine neue Regierung bilden muss.
Wer tritt an?
Es gibt zwölf Kandidatinnen und Kandidaten, darunter der amtierende Präsident Macron, die in den Élysée-Palast einziehen wollen. Die konservativen Republikaner bringen mit der ehemaligen Ministerin Valérie Pécresse (54) zum ersten Mal eine Frau. Die Sozialisten kommen mit der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo (62), die Grünen mit ihrer «Galionsfigur» Yannick Jadot (54).
Zudem treten mehrere extremistische Kandidaten an: Auf der rechten Seite sind dies Marine Le Pen, Chefin des Rassemblements National, und Éric Zemmour (63), ein wegen Volksverhetzung verurteilter Journalist. Aus dem zersplitterten linken Lager kandidieren unter anderem der Linksaussen Jean-Luc Mélenchon (70) und die Trotzkistin Nathalie Arthaud (52).
Wer wird gewinnen?
In Krisenzeiten setzen auch die Franzosen auf Stabilität: Alles andere als ein Sieg von Macron wäre eine Überraschung. Der amtierende Präsident liegt bei Umfragen seit Anfang an vorne. Kommt es zu einem zweiten Wahlgang, wird es voraussichtlich ein Rennen zwischen Macron und Le Pen geben.
Warum gilt Macron als Favorit?
Zwar hat Macron – auch wegen der Pandemie – wenig von seiner Reformagenda umsetzen können. Doch hat er sein Land relativ gut durch die Corona-Krise geführt. Punkte holt er sich zurzeit vor allem als Schlüsselperson in den Vermittlungen beim Krieg in der Ukraine.
Wie gross sind die Chancen auf eine erste Präsidentin?
Am ehesten hat – wie schon vor fünf Jahren – Le Pen Chancen, erste Präsidentin Frankreichs zu werden. Die Chance ist zwar intakt, aber dennoch klein. Bemerkenswert ist, dass die konservativen Republikaner zum ersten Mal auf eine Frau setzen. Valérie Pécresse, die bei Migrationsfragen hart durchgreifen will, liegt aber bei Umfragen deutlich abgeschlagen an fünfter Stelle. Die Pariser Bürgermeisterin Hidalgo, die mit der Verdoppelung der Lehrerlöhne punkten will, kommt schon gar nicht auf Touren.
Wie stehen die Kandidaten zu Putin?
Drei der Kandidaten waren jahrelang Putin-Anhänger, so Marine Le Pen, Éric Zemmour und Jean-Luc Mélenchon. Der linke Mélenchon hat inzwischen eingeräumt, dass er sich in Putin geirrt habe. Auch Le Pen, deren letzter Wahlkampf russische Banken mit 9,1 Millionen Euro finanziert hatten, distanziert sich vom russischen Machthaber.
Welches sind die heissesten Themen?
Die drei wichtigsten Themen der Franzosen sind Kaufkraft, soziale Gerechtigkeit und Sicherheit. Ab Sommer verspricht Macron allen Angestellten eine steuerfreie Kaufkraftprämie von bis zu 6000 Euro. Zudem hat er schon rund 20 Milliarden Euro in die Plafonierung der Strom- und Gaspreise gesteckt. Die innere Sicherheit wird mit der Einwanderungsfrage verknüpft, bei der vor allem Le Pen, Zemmour und Pécresse hart durchgreifen wollen. Zemmour verspricht die Abschiebung von einer Million Ausländern.
Welche Auswirkungen haben die Wahlen auf Europa?
Gilbert Casasus (66), Direktor des Zentrums für Europastudien an der Universität Freiburg, sagt: «Gewinnt Macron die Wahl, profiliert er sich als der starke Mann Europas. Folgerichtig wird er sich vermehrt für die europäische Souveränität einsetzen. Gewinnt Le Pen die Wahl, wird Frankreich zugunsten der Europa-Skeptiker und zulasten der europäischen Integration und insbesondere des deutsch-französischen Tandems geschwächt.»
Welche Auswirkungen haben die Wahlen auf die Schweiz?
«Die franko-schweizerischen Beziehungen würden unter einer Wahl Le Pens enorm leiden», sagt Doppelbürger Casasus. Die Schweiz könne es sich weder leisten noch vorstellen, «einen illiberalen westlichen Nachbarn» zu haben. Aber auch bei einem erneuten Sieg Macrons dürfe man sich nicht zu viel erhoffen. Casasus: «Die Beziehungen haben sich nach dem einseitigen Scheitern des Rahmenabkommens und dem Entscheid gegen den französischen Kampfjet Rafale in den vergangenen zwei Jahren deutlich verschlechtert.»