Nach der Zerstörung des Kachowka-Damms am Dienstagmorgen drohen in der Region um Cherson akute Überschwemmungen. Mindestens 16'000 Menschen befinden sich in Lebensgefahr. Das Wasserkraftwerk Kachowka ist komplett zerstört. Milliarden Kubikmeter Wasser entweichen aus dem Stausee.
Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig der Zerstörung des Dammes. Während unklar ist, wer dafür verantwortlich ist, zeigt sich das Ausmass der Katastrophe bereits. Häuser stehen unter Wasser, Menschen werden evakuiert, Strassen sind überflutet.
Die internationale Gemeinschaft reagiert mit Fassungslosigkeit. «Schockiert über den beispiellosen Angriff auf den Staudamm von Nowa Kachowka», twittert Charles Michel (47), Präsident des Europäischen Rates.
«Die Zerstörung ziviler Infrastrukturen ist eindeutig als Kriegsverbrechen einzustufen – und wir werden Russland und seine Stellvertreter zur Rechenschaft ziehen», fährt er fort.
«Vergleichbar mit Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten»
Der tschechische Aussenminister Jan Lipavský (37) twitterte: «Russland überschreitet weiterhin die Grenzen seiner Aggression. Der Angriff auf den Staudamm von Nowa Kachowka über Wohngebieten ist mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen Zivilisten vergleichbar», so der Politiker. «Diese Brutalität wird verurteilt und bestraft werden!»
Auch der lettische Präsident Egils Levits (67) zeigte sich solidarisch mit der Ukraine. «Der russische Terrorismus hat gerade ein neues Ausmass erreicht. Die Sprengung von Staudämmen führt zu Massenvernichtung und Todesfällen», schreibt er. «Ein Ad-hoc-Sondertribunal wird Russland zur Rechenschaft ziehen. Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen! Die Zerstörung des Staudamms des Wasserkraftwerks Kachowka bestätigt der ganzen Welt nur, dass sie aus jedem Winkel des ukrainischen Landes vertrieben werden müssen», erklärt der Präsident. «Nicht ein einziger Meter sollte ihnen überlassen werden, denn sie nutzen jeden Meter für ihren Terror.» Kiew bezeichnet die Attacke als Ökozid.
«Beobachten die Situation mit Sorgfalt und Sorge»
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz sieht in der Zerstörung des Kachowka-Staudamms in der ukrainischen Region Cherson eine «neue Dimension» des Ukraine-Kriegs. Die Beschädigung des Damms sei etwas, «das zu der Art und Weise passt, wie Putin diesen Krieg führt», sagte Scholz am Dienstag beim «Europaforum» des WDR in Berlin. Es sei eine Entwicklung, «die wir mit Sorgfalt und mit Sorge betrachten».
Eine eindeutige Schuldzuweisung an die Adresse Russlands vermied der Kanzler – allerdings wies er auf Anzeichen für eine russische Verantwortung hin. Russland habe «jetzt viele Rückschläge erleben müssen», sagte Scholz. Russland habe «daraus immer den Schluss gezogen, mit noch gesteigerter Aggression gegen die Ukraine vorzugehen».
Die russischen Besatzer hingegen machten ukrainischen Beschuss für die Schäden verantwortlich. Spekuliert wurde auch, dass der Damm wegen schlechter Wartung gebrochen sein könnte. Die Angaben beider Seiten konnten nicht unabhängig überprüft werden. (jwg/AFP)