Im Kreml werden die Karten neu gemischt: Der langjährige Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) muss seinen Posten räumen. Er wird durch den Vize-Regierungschef und Wirtschaftsfachmann Andrei Beloussow (65) ersetzt. Dafür wird Schoigu zum Sekretär des russischen Sicherheitsrats. Der aktuelle Sekretär des Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew (72) wird zum Berater von Kremlchef Wladimir Putin (71) ernannt.
Am Dienstag dann die Neuigkeit: Der Personalverantwortliche von Schoigu, Juri Kusnezow, wurde verhaftet. Genauso wie Schoigus Stellvertreter, Timur Iwanow (48), im April. Dir ist bei diesem Namenskarussell schwindlig geworden? Blick erklärt dir, was es mit Putins Frühlingsputz auf sich hat.
Schoigus Absetzung wenig überraschend
Es ist keine völlige Überraschung, dass Schoigu gehen muss. Wie der Russland-Experte der Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stefan Meister, gegenüber NDR erklärt, war sein Austausch längst überfällig. Es gab immer wieder Gerüchte, dass Schoigu ins Abseits geraten könnte. Einer seiner Stellvertreter, Timur Iwanow, wurde kürzlich wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet. Am Dienstag dann auch sein Personalchef, Generalleutnant Juri Kusnezow. Putin scheint sich also vor Abweichlern im Verteidigungsministerium zu fürchten. Doch das ist nicht neu – Putin kann ganz schön paranoid sein, was seinen engsten Zirkel betrifft.
Interessant ist jedoch, dass Putin genau den jetzigen Moment für die Wechsel gewählt hat. Denn der russische Präsident hatte noch 2022 zu Schoigu gehalten, als Russland in der Ukraine militärische Rückschläge erlitt. Er hielt auch 2023 zu ihm, als sich der Minister öffentlich mit Wagner-Söldnerchef Jewgeni Prigoschin (1961-2023) stritt, der Schoigu der Korruption beschuldigte und seine Entlassung forderte.
Die Tatsache, dass Putin Schoigu nun dennoch abgesetzt hat, deutet darauf hin, dass der Kreml sich zuversichtlicher fühlt. Mit den russischen Streitkräften auf dem Vormarsch und der Ukraine in der Defensive glaubt der Kreml, eine solche Umbesetzung riskieren zu können. Der Wechsel an der Spitze des Verteidigungsministeriums deutet auch auf strategische Neuausrichtungen hin. Die soll Beloussow jetzt einläuten. Dabei geht es vor allem um wirtschaftliche Effizienz für das Militär und politische Loyalität der Führungskräfte gegenüber Putin.
Hinzu kommt, dass Putin erst vor einer Woche zu seiner fünften Amtszeit als Präsident eingeschworen wurde. Und auch wenn solche Umbauten im russischen Regierungsapparat eher selten sind, braucht auch Putin ab und an einen Neuanfang.
Muss Verteidigungsminister für Fehler büssen?
Und was passiert jetzt genau mit Schoigu? Er gilt immerhin als einer der engsten Verbündeten von Präsident Putin. Aber die Nähe zu Putin, die Angel- und Jagdausflüge mit dem Präsidenten (sie gingen sogar zusammen Pilze sammeln), all das ist keine Garantie dafür, dass man seinen Job behält. Das musste Schoigu am eigenen Leib erfahren. Und obwohl Schoigu als Sekretär des Sicherheitsrates weiterhin eine einflussreiche Position innehaben wird, scheint dieser Schritt für ihn eine Degradierung zu bedeuten.
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Muss er etwa für seine Fehltritte in der Ukraine büssen? Möglich ist es. Zu sehr übertreiben wird es Putin aber nicht mit Bestrafungen: Putin unterstützt Leute, die loyal zu ihm sind und denen er seit langem zumindest einigermassen vertraut. Er lässt solche Leute nicht fallen. Ausserdem weiss Schoigu wahrscheinlich Dinge über Putin, die vielleicht nicht an die Öffentlichkeit geraten sollten.
Schoigu ist Teil des Systems Putin. Genauso wie Nikolai Patruschew, der seinen Posten für Schoigu räumen musste. Wollte Patruschew das? Man weiss es nicht. Die ganze Sache zeigt allerdings einmal mehr, dass Putin nur auf sich selbst hört. Ein Minister kann nicht entscheiden, wann er aufhört oder welche Ämter er annehmen will. Das legt alleine Putin fest.