Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu (68) war bisher der Mann, der im Krieg gegen die Ukraine meistens den Kopf hinhalten musste. So wird er in Russland für die schleppende Invasion sowie die rund 350'000 Toten und Verwundeten allein auf eigener Seite verantwortlich gemacht. Kommt dazu, dass Schoigu, der seit zwölf Jahren im Amt ist, als korrupt gilt und innerhalb der Truppe unbeliebt ist.
Nun hat Präsident Wladimir Putin (71) einen Schlussstrich gezogen. Er ersetzt Schoigu überraschend durch den Vize-Regierungschef und Wirtschaftsfachmann Andrei Beloussow (65). Schoigu bietet er den Job als Sekretär des russischen Sicherheitsrates an.
Dieser Austausch an der Spitze des Sicherheits- und Kriegsapparats verheisst nichts Gutes. Denn mit Beloussow als neuem Verteidigungsminister dürfte der russische Bär noch aggressiver gegen die Ukraine und den Westen vorgehen.
Das Institute for the Study of War (ISW) warnt: «Diese Umbesetzung auf hoher Ebene im Anschluss an die russischen Präsidentschaftswahlen deutet stark darauf hin, dass Putin bedeutende Schritte zur Mobilisierung der russischen Wirtschaft und der Verteidigungsindustrie unternimmt, um einen langwierigen Krieg in der Ukraine zu unterstützen und sich möglicherweise auf eine künftige Konfrontation mit der Nato vorzubereiten.»
Hybride Angriffe auf den Westen
Erst vor wenigen Tagen hat die Nato vor einer erhöhten hybriden Bedrohung gegenüber dem Westen gewarnt. Ralph D. Thiele (70), Vorsitzender der deutschen Politisch-Militärischen Gesellschaft und Präsident von Eurodefense Deutschland, sagt gegenüber Blick: «Vorfälle in Deutschland, wie etwa bei der Verhaftung zweier russischen Agenten in Bayern, gehören zur Testphase. In dieser will der Kreml checken, wie der Westen auf solche Angriffe reagiert und ob er damit klarkommt.»
Dass nun ein Wirtschaftsfachmann russischer Verteidigungsminister wird, hält Thiele für einen klugen Schachzug Putins. «Während wir noch Leos und Taurus zählen und vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen, wird er im Hintergrund und von uns unbemerkt die Wertschöpfungsketten ändern und die geopolitischen Machtverhältnisse verschieben.»
Russland hat dieses Jahr den Vorsitz des wachsenden Verbundes der Brics-Staaten, zu denen die ursprünglichen Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika zählen und die 2024 durch Ägypten, Äthiopien, Iran und die Vereinigten Arabischen Emiraten erweitert wurden. In diesen Staaten leben 45 Prozent der Weltbevölkerung.
Mehr Effizienz in der Armee
Die Ernennung von Beloussow zum Verteidigungsminister soll auch mehr Effizienz ins russische Militär bringen. Offenbar haben die Korruption, der Missbrauch von Geldern sowie die inneren Konflikte ein Ausmass angenommen, das den ganzen Militärapparat lähmt. Das ISW betrachtet Beloussow mit dessen Erfahrung als ehemaliger Wirtschaftsminister und -berater sowie als Chef von Innovations- und Drohnenprojekten als den geeigneten Mann, den Laden aufzuräumen.
Beloussow hat keinen Militär-Hintergrund. Putins Sprecher Dmitri Peskow (56) argumentiert: «Heute gewinnt auf dem Schlachtfeld derjenige, der offener für Innovationen und deren Umsetzung ist.»
Rüstungsproduktion ankurbeln
Ulrich Schmid (58), Russland-Experte an der Uni St. Gallen, sagt: «Putins Personalproblem beim Verteidigungsministerium liegt darin, dass die loyalen Führungskräfte lamentable militärischen Leistungsausweise haben, während die bis zur Brutalität effizienten Generäle, die als Minister infrage kommen, politisch unzuverlässig sind.»
Beloussow gilt als strammer Parteigänger und loyaler Unterstützer Putins und teile dessen neoimperialen Träume. Schmid: «Er wird dafür sorgen, dass die Rüstungsindustrie noch mehr staatliche Investitionen erhalten wird. Und wahrscheinlich eine langfristige Kriegswirtschaft einrichten, in der sich auch die zivilen Betriebe auf die Bedürfnisse des Militärs ausrichten müssen.»
Experten sind sich einig: Putins personeller Streich im Verteidigungsministerium wird die Lage weiter verschärfen. Litauens Präsident Gitanas Nauseda (59) sagt über den Wechsel: «Dies geschieht, um diesen Krieg fortsetzen zu können. Machen wir uns keine Illusionen, dass Putin zu friedlichen Verhandlungen bereit ist.»