Noch immer suchen Einsatzkräfte unter den Trümmern nach Überlebenden. Doch die Hoffnung schwindet von Stunde zu Stunde. Nach dem verheerenden Raketen-Angriff vom Samstag klafft eine riesige Lücke in dem Wohnhaus in der Stadt Dnipro im zentralen Osten der Ukraine.
Bis Montagabend wurden 40 Leichen geborgen, nach 25 zunächst noch vermissten Menschen soll am Dienstag weiter gesucht werden. Bei dem Angriff wurden zudem 77 Menschen verletzt. Unter den Überlebenden befindet sich eine Familie. Kateryna Selenska (27), ihr Ehemann und der gemeinsame Sohn Nikita (1) konnten unter den Trümmern gefunden werden, wie das Newsportal «Ukrainska Pravda» berichtet.
Auf einem Foto ist zu sehen, wie ein Feuerwehrmann die verängstigte Kateryna Selenska aus dem zerstörten Haus trägt. 20 Stunden lang musste sie unter den Trümmern ausharren. «Das ist meine Schwester! Sie wurde erst heute Morgen gefunden und Gott sei Dank ist sie am Leben», schreibt die Schwester von Selenska gestern zu dieser Aufnahme. Sie und ihre Familie hätten in «diesem verfluchten Haus» gelebt, als die russische Rakete einschlug.
Sie hatte nur noch eine Körpertemperatur von 31 Grad
Die junge Frau habe nicht um Hilfe gerufen, weil sie taub sei. Trotzdem gelang es den Rettungskräften, die Mutter zu finden. Doch vorher mussten jede Menge Trümmerteile zur Seite geschafft werden. Zehn Stunden dauerte es, dann konnte Selenska befreit werden. Auch ihr Ehemann und der Sohn wurden kurz darauf aus den Trümmern gezogen.
Sie seien unterkühlt gewesen und wurden ins Spital gebracht, schreibt ihre Schwester weiter. Die Körpertemperatur von Kateryna Selenska soll nur noch 31 Grad betragen haben. Sinkt die Körpertemperatur eines Menschen unter 35 Grad, spricht man von einer Unterkühlung, die lebensbedrohlich werden kann. Zum Beispiel können bei zu niedriger Temperatur die Organe nicht mehr richtig arbeiten oder gar versagen.
Vergeltung für Raketen-Angriff auf Wohnhaus
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) hat den tödlichen Angriff auf das Wohnhaus in Dnipro als «Kriegsverbrechen» angeprangert. «Jede Person, die für dieses Kriegsverbrechen verantwortlich ist, wird identifiziert und vor Gericht gestellt», sagte der Staatschef in der Nacht auf Dienstag in seiner täglichen Videoansprache. Kiew macht Russland für den Angriff verantwortlich – Moskau weist dies zurück.
Nach UN-Angaben war es einer der Angriffe mit den meisten Toten in der Ukraine seit Beginn der russischen Invasion. UN-Generalsekretär António Guterres (73) verurteilte den Angriff und sprach von einem «weiteren Beispiel für eine mutmassliche Verletzung des Kriegsrechts». (jmh/AFP)