Nach langen Verhandlungen
EU beschliesst härteres Asylverfahren

Wer Asyl in der EU beantragen will, soll erst unter «haftähnlichen Bedingungen» in Aufnahmeeinrichtungen unterkommen. Dort wird entschieden, ob die Person ein Recht auf Asyl hat. Baume-Schneider bezeichnet Einigung als «historischen Schritt».
Publiziert: 08.06.2023 um 21:21 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2023 um 22:37 Uhr
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Ylva Johansson, Kommissarin der EU, gab bekannt, dass sich die Staaten bei einem Treffen auf neue Asylregeln geeinigt haben.
Foto: keystone-sda.ch

Die Asylverfahren in der EU sollen angesichts der Probleme mit illegaler Migration deutlich verschärft werden. Bei einem Innenministertreffen in Luxemburg stimmte am Donnerstag eine ausreichend grosse Mehrheit der Mitgliedstaaten für umfassende Reformpläne, wie der schwedische Ratsvorsitz mitteilte. Sie sehen insbesondere einen deutlich strengeren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vor.

So sollen ankommende Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde dann im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

Die deutsche Bundesregierung hatte sich in den Verhandlungen nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Familien mit Kindern von den sogenannten Grenzverfahren ausgenommen werden. Um den Durchbruch zu ermöglichen, musste sie allerdings akzeptieren, dass dies doch möglich sein könnte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sagte bei dem Treffen allerdings, dass sich die Bundesregierung weiter dafür einsetzen wird, dass alle Kinderrechte gewährt bleiben.

Staaten an EU-Aussengrenze sollen entlastet werden

Denkbar ist auch, dass das EU-Parlament noch Änderungen durchsetzt. Es hat bei der Reform ein Mitspracherecht und wird in den kommenden Monaten mit Vertretern der EU-Staaten über das Projekt verhandeln.

Neben den verschärften Asylverfahren sehen die am Donnerstag beschlossenen Pläne auch mehr Solidarität mit den stark belasteten Mitgliedstaaten an den EU-Aussengrenzen vor. Sie soll künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen werden. Länder wie Ungarn stimmten deswegen gegen den Plan.

Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider hat am Donnerstag nach dem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg die Einigung der EU-Staaten auf den Migrations- und Asylpakt als einen «historischen Schritt» bezeichnet. Eine Einigung sei dringend notwendig gewesen, sagte sie.

Denn das Dublin-System hätte laut Baume-Schneider der aktuellen Situation nicht mehr lange standgehalten. Die Schweiz beteiligt sich via Dublin-Abkommen teilweise an der EU-Migration- und Asylpolitik.

Auch die Schweiz werde sich beteiligen

Das Dublin-System gibt vor, dass derjenige Staat, in dem Asylsuchende zuerst ankommen, sich auch um diese kümmern muss. Für die Mittelmeerstaaten wie Griechenland, Italien, Spanien, Malta und Zypern wurde dies angesichts der hohen Flüchtlings- und Migrantinnenzahlen zu einer grossen Belastung.

Dank des Kompromisses sei nun das Dublin-System gestärkt worden, sagte die Bundesrätin vor Medienschaffenden. Auch die Schweiz werde sich entsprechend beteiligen. Sie habe sich in der Vergangenheit auch am Solidaritätsmechanismus beteiligt, der für sie nicht verpflichtend sei, sagte Baume-Scheider weiter.

Menschen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch oft abgewiesen

Von der Pflicht zur Solidarität könnten beispielsweise Länder wie Italien profitieren. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats wurden in Italien in diesem Jahr bereits mehr als 50'000 Migranten registriert, die über das Mittelmeer kamen. Die meisten von ihnen kamen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch und hatten damit so gut wie keine Aussichten auf eine legale Bleibeperspektive.

Die noch ausstehenden Verhandlungen mit dem EU-Parlament sollen im Idealfall noch vor Ende des Jahres abgeschlossen werden. Dann könnten die Gesetze noch vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden. Sollte dies nicht gelingen, könnten veränderte politische Kräfteverhältnisse Neuverhandlungen nötig machen. (SDA/jwg)

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