Nach der massiven Kritik an den jüngsten Corona-Beschlüssen der Bund-Länder-Runde hat sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) am Mittwoch kurzfristig erneut mit den Ministerpräsidenten der Länder beraten. Die anhaltende Kritik hat zu einem Umdenken geführt: Merkel hat entschieden, den Bund-Länder-Entscheid zur sogenannten Osterruhe zu stoppen.
Der Rückzieher bedeutet, dass an Gründonnerstag und Karsamstag keine ausgeweitete Osterruhe mit zusätzlichen Restriktionen verordnet wird. Sie übernehme dafür die Verantwortung, sagte Merkel. «Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler», sagte sie am Mittag an einer Pressekonferenz. Die Osterruhe sei in guter Absicht geplant, in letzter Konsequenz aber zeitlich nicht umsetzbar gewesen. Für die entstandene Verunsicherung entschuldigte sich Merkel. «Das bedauere ich zutiefst, und dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung.»
Sogar der Innenminister war unzufrieden
Nach der Bekanntgabe der neuen Corona-Massnahmen in der Nacht auf Dienstag hatte sich ein Proteststurm entladen. Dabei waren die Entscheidungsträger nicht einmal vor ihren eigenen Verbündeten sicher: Sogar Innenminister Horst Seehofer (71, CSU) kritisierte den Plan – trotz Mitgliedschaft in der Bundesregierung und Zugehörigkeit zur Union von CDU und CSU.
Seehofer störte vor allem der Umgang mit Ostern. Dass Gottesdienste ausdrücklich unerwünscht sind. «Es hat mich schon erstaunt, dass ausgerechnet Parteien, die das C im Namen führen, den Kirchen den Verzicht auf Gottesdienste nahelegen, noch dazu an Ostern», sagte der Innenminister zu «Bild». «Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass es sich hier um eine Bitte handelt. Mein Haus hat diesen Vorschlag auch nicht gemacht, obwohl wir für die Religionen zuständig sind. Das Innenministerium hat stattdessen schon sehr früh in der Pandemie gemeinsam mit den Kirchen Hygiene-Konzepte ausgearbeitet, die bis heute tadellos funktionieren.»
Umsetzung zentraler Beschlüsse war unklar
Der Druck auf die Politiker steigt, die Corona-Massnahmen zu lockern. Die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann (58) schrieb am Dienstag auf Twitter: Ein «Orkan gesellschaftlicher Kritik zieht über uns Parlamentarier hinweg». Sie könne die Beschlüsse selbst nicht mehr schönreden. «Nach 12 Monaten Pandemie sind diese ein Armutszeugnis.»
Die CDU-Politikerin Jana Schimke (41) beklagte in der Fraktionssitzung vom Dienstag, das Kanzleramt könne keine detaillierten Auskünfte über die Umsetzung zentraler Beschlüsse geben. Was bedeuteten etwa die beiden zusätzlich verordneten «Ruhetage» über Ostern für die Schlachtbetriebe in ihrer Region? Im Kanzleramt habe man ihr geantwortet, dass man das noch nicht wisse. «Ich blicke fassungslos auf die sach- und lebensfremde Beschlusslage», sagte Schimke.
«Planlos, ratlos, mutlos»
Auch der CDU-Abgeordnete Albert Weiler (55) griff Merkel und die Ministerpräsidenten frontal an: «Ihr Beschluss ist eine Kapitulationserklärung!», schrieb der konservative Politiker in einem offenen Brief auf seiner Homepage. Der Beschluss sei «planlos, ratlos, mutlos». Das Leben sei mehr als die Angst vor einem Virus. «Geben Sie den Menschen ihre Freiheit zurück!»
Merkels Schuldeingeständnis wurde in den Medien verschiedentlich als «historisch» bezeichnet. Die Rücknahme der erweiterten Osterruhe durch die Bundeskanzlerin stiess mehrheitlich auf Erleichterung. Dem Vernehmen nach betonten die Ministerpräsidenten der Bundesländer die gemeinsame Verantwortung. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (54, CSU) sagte, er habe «persönlichen Respekt vor der Erklärung der Kanzlerin». CDU-Chef Armin Laschet (60) stellte sich ebenfalls hinter Merkels Entscheidung.
Von Seiten der Linken, der FDP und der AfD wurde Merkel nahegelegt, die Vertrauensfrage zu stellen. Die Kanzlerin ging darauf nicht ein. Als Merkel sich am Nachmittag im Bundestag den Fragen der Abgeordneten stellte, signalisierte ihr vor allem die Unionsfraktion mit einem langanhaltenden Applaus ihre Unterstützung. (noo)