Auf einen Blick
- Assads Regime als Drogenkartell: Captagon-Geschäft als überlebenswichtige Einnahmequelle
- Syrien und Hisbollah industrialisierten die Captagon-Produktion für den Nahen Osten
- 30 bis 40 Milliarden Dollar jährlich für Syriens Wirtschaft durch Captagon-Handel
24 Jahre lang herrschte Bashar al-Assad (59) mit eiserner Hand über Syrien. Nach seiner Entmachtung und seiner Flucht in der Nacht vom 7. Dezember kommt nun immer mehr über den einstigen Diktator ans Licht – sowohl über seinen Krieg gegen die eigene Bevölkerung als auch über sein Leben im Luxus.
Doch wie konnte sich Assad dieses totalitäre Regime leisten, wo er doch wirtschaftlich – abgesehen von seinen Verbündeten Russland und Iran – komplett isoliert war? Eine Antwort liefert der Blick auf den Drogenmarkt.
Die Captagon-Schwemme aus Syrien
Im Herbst 2023 wurden in Nordrhein-Westfalen 480 Kilogramm Captagon beschlagnahmt. Mehr als 3,2 Millionen Pillen versteckt in Sandsäcken mit einem Strassenwert von rund 55 Millionen Franken – auf der Anklagebank sitzen seitdem vier Syrer.
Es war der grösste Captagon-Fall in Deutschland bislang. Doch Deutschland ist für Captagon in der Regel nur Zwischenstation. Hergestellt wurde es vor allem in Syrien.
Das Assad-Regime hatte sich in den letzten 20 Jahren zu einem gefährlichen Drogenkartell entwickelt. Das international isolierte Regime nutzte die Milliarden aus dem illegalen Captagon-Geschäft, um trotz Sanktionen zu überleben, wie der Islamwissenschaftler Caspar Schliephack in seiner Studie zum Captagon-Kartell von Assad erklärt.
Gemeinsam mit terroristischen Akteuren wie der Hisbollah produzierte es die synthetische Droge industriell und überschwemmte damit den gesamten Nahen Osten. 30 bis 40 Milliarden Dollar pro Jahr wurden damit für die Unterstützung der syrischen Wirtschaft eingenommen. Ein beachtlicher Betrag für ein Land, das international sanktioniert wurde.
Das Assad-Regime als Drogenkartell
Ursprünglich wurde Captagon vor allem auf dem Balkan hergestellt. Ab 2005 verlagerte sich die Produktion zunehmend in den Nahen Osten, insbesondere nach Syrien und in den Libanon. Laut Schliephack machten Captagon-Funde aus der Region 2009 bereits 75 Prozent der weltweit festgestellten amphetaminartigen Stimulanzien aus.
Mit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 erkannte das Assad-Regime das Captagon-Geschäft als überlebenswichtige Einnahmequelle. Es verlagerte die Produktion nach Syrien und baute sie massiv aus. Das Captagon-Business war die mit Abstand lukrativste Säule der syrischen Kriegswirtschaft. Das Regime kooperierte dabei eng mit der libanesischen Hisbollah. Bei terroristischen Gruppierungen ist die Droge beliebt – als die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel angriff, waren viele der Kämpfer ebenfalls auf Captagon.
Laut EU ist das Captagon-Business zu «einem Regime geführten Geschäftsmodell geworden, das den inneren Kreis des Regimes bereicherte und seine Lebensader darstellte». Syrien wurde daher immer häufiger als Narco-Staat bezeichnet.
Industrielle Produktion und Schmuggel
Die Levante-Kartelle, wie die Kooperation zwischen Assad-Regime und Hisbollah genannt wird, hatten die Captagon-Produktion industrialisiert. In Südsyrien sollen bis zu zehn Fabriken existieren, die monatlich bis zu zehn Millionen Pillen herstellen können. Für den Schmuggel nutzen die Kartelle alle erdenklichen Transportwege – zu Land, zu Wasser und per Flugzeug – versteckt in Lebensmitteln oder Hi-Fi-Geräten, wie etwa Stereoanlagen.
Besonders der Seeweg über syrische und libanesische Häfen spielte eine wichtige Rolle. Dabei wurden teils enorme Mengen transportiert: 2020 wurden in Italien auf einem Schiff aus Syrien 84 Millionen Pillen im Wert von über einer Milliarde Euro entdeckt.
Wie geht es weiter mit der Droge?
Wie auf Video in den sozialen Medien zu sehen ist, sollen Milizen bereits Captagon-Lager mit Millionen von Pillen entdeckt haben. Verwaltet haben soll sie Assads Bruder Maher al-Assad. Unter seinem Anwesen wurden nach dem Regime-Sturz Tunnelsysteme entdeckt, die ebenfalls als Transportwege gedient haben sollen. Die Drogen wurden von den Milizen verbrannt. So zu sehen auf den Videos. Ob der Drogenstaat damit ein Ende findet, ist schwer zu sagen.
Die Frage ist wohl, was mit den Produktionsstätten passieren wird. Dass sich die einzelnen Gruppierungen im neuen Syrien den Milliarden-Markt entgehen lassen werden, ist schwer vorzustellen. Dafür ist der Markt in Saudi-Arabien, aber auch nach Europa bereits zu etabliert. Abreissen wird die Versorgung wohl kaum.