Millet Ben Haim (27) überlebte das Festival-Massaker in Israel
«Ich wusste, dass sie mich vergewaltigen würden»

Millet Ben Haim (27) war in den Stunden des Festival-Massakers vom 7. Oktober auf dem Festgelände, als plötzlich die Raketen über sie hereinbrachen. Mit ganz viel Glück gelang ihr die Flucht.
Publiziert: 19.11.2023 um 19:32 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2023 um 14:53 Uhr
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Millet Ben Haim war während der Anfangsstunden des Hamas-Angriffs auf dem Festivalgelände, wo die Terroristen ein Blutbad anrichteten.
Foto: Instagram/ @millet_bh

Vor rund fünf Wochen erlebte die Israelin Millet Ben Haim (27) die wohl brutalsten Stunden ihres Lebens. Zusammen mit einigen Freundinnen war sie an jenem Tag auf dem Gelände des Supernova Musikfestivals beim Kibbuz Re'im, als plötzlich die Hölle über sie hereinbrach.

Die junge Frau hat den brutalen Angriff der Hamas auf die Festivalbesucher überlebt – mit viel Glück. Aber auch wenn sie heute noch am Leben sei, so werde sie nie wieder die Gleiche sein wie früher, sagt sie zur «Bild».

«Die Terroristen waren auf allen Seiten»

Alles begann am 7. Oktober um halb sieben in der Früh, als beim Festival plötzlich die Musik aufhörte zu spielen. «Bis zu dem Zeitpunkt war es eine wirklich gute Party», erinnert sich Ben Haim zurück.«Dann kamen die Raketen. Dutzende, vielleicht hunderte bedeckten den Himmel.»

Wie viele andere Festivalbesucher versuchte auch Ben Haim mit dem Auto zu fliehen. Doch sie hatte keine Chance. «Nach ein paar Metern fingen die Leute an, zu schreien, dass vorne Terroristen sind, die schiessen.» Ben Haim sass in einer Sackgasse. «Die Terroristen waren auf allen Seiten, wir konnten nirgendwohin fahren. Und wir wussten, dass sie näher kommen.»

Das Einzige, was ihr und ihren Freundinnen jetzt noch blieb, war die Flucht über die Felder. Das reinste Chaos sei es gewesen, erinnert sich Ben Haim. «Die Terroristen wussten genau, wohin wir fliehen und haben uns umzingelt. Einige von ihnen fuhren Autos, andere hatten Motorräder, manche waren zu Fuss unterwegs und einige kamen mit Paraglidern vom Himmel.»

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Polizei nicht in der Lage zu helfen

Also rannte sie immer weiter, bis sie mit drei anderen Frauen ein Versteck in einem Gebüsch fand. In ihrer Verzweiflung versuchte Ben Haim bei der Polizei, um Hilfe zu rufen. Doch die Antwort des Beamten war wenig aufmunternd. «Er sagte, dass wir durchhalten sollen. Aber auch, dass die umliegenden Dörfer von Terroristen umzingelt seien.» Da sei ihr die Dimension des Angriffs erst so richtig klar geworden.

Während sich die Frauen versteckt hielten, hörten sie immer wieder die Stimmen der Hamas-Terroristen. Das Erschreckendste sei gewesen, wie locker die Männer schienen. Sie hätten sie sogar lachen gehört, so Ben Haim. «Mir wurde klar: Wenn sie sich so wohlfühlen, ist unsere Armee nicht in der Nähe.»

Ihr sei bewusst gewesen, was ihr geblüht hätte, wenn sie in die Hände der Terroristen fallen würde. «Ich wusste, dass sie mich vergewaltigen würden.»

Weil die Lage aussichtslos schien, wollte sich Ben Haim von ihrer Familie verabschieden. «Ich habe ihnen gesagt, dass ich mit meinem Leben zufrieden bin.» Doch wie durch ein Wunder wurde sie wenig später von einem Mann kontaktiert, der mit seinem Auto Zivilisten in der Gegend zu retten versuchte.

«Ich fühle mich wie ein Geist»

«Er sagte, dass er hupen wird, wenn er da ist, dann sollte ich rauskommen», so Ben Haim. Irgendwann sei es dann so weit gewesen. Die Hupe erklang. «Da wurde mir klar, dass ich aus dem Gebüsch rauskommen muss, damit er uns sieht.» Die Schüsse gingen derweil unaufhörlich weiter. «Das war der grusligste Moment.»

Gemeinsam mit den anderen Frauen schaffte es Ben Haim trotz Kugelhagel zum Auto. Mittlerweile ist die junge Frau wieder bei ihrer Familie in Sicherheit. Doch die Stunden haben tiefe Narben hinterlassen. «Ich habe nicht das Gefühl, dass es vorbei ist. Das Trauma ist so gross, es berührt mich so tief.»

Es sei auch schwierig, bei ihrer Familie zu sein. «Ich habe nicht das Gefühl, dass sie mich sehen. Ich fühle mich wie ein Geist. Ich weiss nicht, wer ich bin.» Auch wenn Millet den Terrorangriff überstanden hat, ist sie sich bewusst: «Es ist noch lange nicht vorbei.» (ced)


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