Militärexperte Ralph D. Thiele spricht über plötzliche Modernisierung der russischen Armee
«Wir müssen bald mit russischen Drohnenschwärmen rechnen»

Die Bilanz der ukrainischen Gegenoffensive ist ernüchternd. Die Russen halten die Stellung und bringen immer wieder neue Waffen an die Front – wohl bald auch ganz moderne Systeme. Ein Ausblick von Militärexperte Ralph D. Thiele.
Publiziert: 05.12.2023 um 16:45 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2023 um 16:30 Uhr
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Guido FelderAusland-Redaktor

Seit Wochen kommt die ukrainische Armee trotz moderner Waffen aus dem Westen kaum voran. Zu viel Zeit hatten die russischen Invasoren, um das eroberte Gebiet zu sichern und verminen. Zum Teil vermelden die Russen sogar wieder Erfolge, und dies, obwohl sie bisher laut dem Analyse-Portal «Oryx» 2500 Panzer verloren haben.

Den Russen ist es offenbar gelungen, Material-Nachschub zu organisieren. Russische Propagandakanäle zeigen in den besetzten Gebieten der Region Donezk moderne Schützenpanzer vom Typ BTR-82A. Weiter seien auch moderne Hauptkampfpanzer vom Typ T-90M an immer mehr Orten der Front zu sehen.

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Nicht mehr lange Vision: Soldaten greifen mit Drohnenschwärmen an.
Foto: Shutterstock

Für den deutschen Militärexperten Ralph D. Thiele (70) vom Institut für Strategie-, Politik-, Sicherheits- und Wirtschaftsberatung steht fest: «Ganz generell läuft die russische Kriegswirtschaft auf Touren. Durch die Bank weg werden von Panzern über Drohnen bis hin zu Ausrüstung für den immer wichtiger werdenden elektromagnetischen Kampf monatlich beachtliche Chargen produziert.» Die russische Panzerproduktion übertreffe quantitativ die westliche um Faktor drei.

Tödliche Systeme weiterentwickeln

Erfolgreiche Drohnen würden in der Reichweite verlängert, wirksame Munition auf Trägersysteme grösserer Reichweite integriert. Den Schlüssel zum Erfolg sieht Thiele in der Masse von – auch intelligenter – Artilleriemunition sowie im Drohnenbereich. Thiele: «Wir müssen damit rechnen, dass im kommenden Jahr durch künstliche Intelligenz orchestrierte Drohnenschwärme zum Einsatz kommen.»

Solche Drohnenschwärme werden auch in den USA unter dem Namen «Super Swarm» entwickelt. In grossen Mengen greifen aufeinander abgestimmte Drohnen ein Ziel an, wobei die einen die Luftabwehr ablenken, andere die Lage auskundschaften und wiederum andere Bomben transportieren.

Preiswerte Technologie aus Fernost

Thiele bezeichnet die westlichen Sanktionen als «Rohrkrepierer». Die russische Wirtschaft habe ihre Wertschöpfungsketten in Richtung Fernost und Brics-Staaten (Brasilien, Indien, China, Südafrika) ausgerichtet. In Fernost gelange Russland auch an preiswerte Informationstechnologie für weitreichende, präzise Raketen- und Drohnensysteme, für moderne Gefechtsfeldwaffen – darunter intelligente Munition – und moderne, KI-gestützte Führungs- und Informationssysteme.

Umgekehrt profitierten diese Märkte von preiswerten russischen Rohstoffen. Auf Umwegen kaufe aber auch der Westen weiter russische Rohstoffe, allerdings nun zu einem höheren Preis. Westliche Hightech finde ebenfalls weiterhin auf Umwegen ihren Weg nach Russland. «Russland kann derart seinen Technologiebedarf decken», sagt Thiele.

Experte sieht schwarz

Der Kreml hat fürs kommende Jahr eine massive Erhöhung des Armeebudgets angekündigt. So sollen die Ausgaben fürs Militär um rund 20 Milliarden auf 106 Milliarden Euro gesteigert werden. Das entspricht rund sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Im Vergleich: Die USA verwenden für Verteidigungsausgaben 3,5 Prozent des BIP.

«Die russischen Einnahmen sind beträchtlich und können den Krieg auch langfristig finanzieren», meint Thiele. Moskau habe sich auf einen langen Abnutzungskrieg eingerichtet, der Westen nicht. Die Ukraine verliere Menschen, Material und Infrastruktur – Stück für Stück auch die eigene vorbildliche Motivation und am Ende wohl auch die nachhaltige Unterstützung des Westens. Thiele sieht für die Ukraine schwarz: «Es sieht nicht gut aus.»

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