Sie wollten die Russen in die Flucht schlagen. Die ukrainische Armee hatte die Gegenoffensive lange vorbereitet. Doch am Ende konnten nur kleine Erfolge vermeldet werden. Ein militärisch wichtiger Durchbruch zum Asowschen Meer – quer durch den von Kreml-Truppen eroberten Landkorridor zur Halbinsel Krim – scheint in weiter Ferne.
Schuld an dem Fiasko trage auch der Westen, erklärt der frühere US-Viersternegeneral und einstige CIA-Chef David Petraeus (71) in einem Interview mit BBC Russia. Die Ukraine konnte aufgrund mangelnder Versorgung «nicht den Durchbruch erzielen, auf den alle gehofft hatten», so der Ex-General. Es habe Verzögerungen bei der Lieferung gegeben. «Unsere Panzer haben sie erst kürzlich erreicht.»
Ukraine hätte Vorteil in der Luft gebraucht
So habe der Westen zu lange darüber diskutiert, welche Waffen und Fahrzeuge man der Ukraine zur Verfügung stellen könne. Die USA haben zum Beispiel eine Entscheidung, was die Streumunition angeht, herausgezögert. Wertvolle Zeit für die Ukraine sei damit vergeudet worden. So seien am Ende wichtige Panzer und Flugzeuge zu spät an der Front eingetroffen. Doch nur damit hätte die Ukraine eine Chance für ihre Offensive gehabt.
Petraeus: «Unsere militärische Doktrin besagt, dass es, um die Verteidigungsanlagen der Russen zu durchbrechen, die wir im Süden gesehen haben, einen Vorteil in der Luft braucht. Und den haben wir den Ukrainern nicht gegeben.»
Westen hätte bei Krim-Besetzung reagieren müssen
Gut 21 Monate nach dem russischen Einmarsch machen sich Ratlosigkeit und Nervosität in Kiew breit, während westliche Hilfe nachlässt. Der Ukraine fehlt es an Waffen, Munition, Geld und in absehbarer Zeit auch an Soldaten.
Der Westen trage auch eine Teilschuld daran, dass sich Wladimir Putin (71) überhaupt stark genug fühlte, die Ukraine anzugreifen. «Ich denke, einer der Gründe, warum Wladimir Putin entschieden hat, die Ukraine anzugreifen, ist, dass wir nach der Besetzung der Krim keine ausreichenden Massnahmen ergriffen haben», sagt der ehemalige CIA-Chef.
Russland hatte die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 unter seine Kontrolle gebracht. Erste bewaffnete Zusammenstösse zwischen Anhängern der ukrainischen Regierung und prorussischen Demonstranten am 26. Februar 2014 mündeten schliesslich in ein militärisches Eingreifen Russlands. Ein gesteuertes Referendum über die Eingliederung in die Russische Föderation führte im März zur Annexion der Krim durch Moskau. (jmh)