Militärexperte Marcus Keupp ordnet ein
Kursk-Offensive der Ukrainer dient nur einem Zweck

Mit dem Vorstoss ins russische Kursk ist der ukrainischen Armee scheinbar ein Befreiungsschlag gelungen. Dem deutschen Militärökonomen Marcus Keupp zufolge ist es aber noch verfrüht zu sagen, welchen Effekt die Offensive nachhaltig haben wird.
Publiziert: 16.08.2024 um 16:07 Uhr
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Aktualisiert: 16.08.2024 um 16:19 Uhr
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Mit dem Vorstoss ins russische Kursk ist der ukrainischen Armee scheinbar ein Befreiungsschlag gelungen.
Foto: Anadolu via Getty Images
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Cédric HengyRedaktor News

Seitdem die ukrainischen Streitkräfte am 6. August den Schritt über die Grenze gewagt und eine Offensive in der russischen Region Kursk vom Zaun gebrochen haben, hat sich der Fokus des Krieges komplett in die südwestliche Oblast verschoben.

Rund 1000 Quadratkilometer sollen in der grössten Invasion in Russland seit dem Zweiten Weltkrieg bereits besetzt worden sein – und das innert acht Tagen. Für Kremlchef Wladimir Putin (71) gleicht der Überraschungscoup der Ukraine einem Fiasko. Erst allmählich rücken auf russischer Seite Kampfverbände des nördlichen Operationskommandos an.

Vorsicht vor überschwänglichen Statements

In seiner ersten ausführlichen Stellungnahme zur Offensive stellte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (46) klar, dass man das Einsatzgebiet in der Region Kursk weiter ausweiten wolle. Präsidentenberater Mykhailo Podolyak (52) ging sogar einen Schritt weiter und kündigte an, dass sich der Krieg sich auf das gesamte russische Staatsgebiet ausdehnen werde.

«Ich glaube, es ist zu früh, solche Statements als glaubwürdig zu beurteilen», sagt Marcus Keupp (46), Militärökonom und Dozent an der Militärakademie der ETH Zürich, in einem TV-Interview mit dem Sender «Welt». Anstatt lediglich eine Diskussion darüber zu führen, in welche Ortschaft die Ukraine als Nächstes vorstossen könnte, schlägt Keupp ein Umdenken vor. «Die Ukraine führt diesen Krieg als eine Art Testoperation», ist der Militärökonom überzeugt.

«Es gibt kein klares Operationsziel»

Konkret bedeute das, dass die Streitkräfte unter anderem genau beobachten würden, wo die Russen stehen, wo es Lücken auf dem Schlachtfeld gebe, durch die man dann durchstossen könne und wo die Russen versuchen würden, sofort zu verstärken. «Es gibt kein klares Operationsziel, sondern man versucht eher, Lücken im Gelände ausfindig zu machen.»

Wie sich die Situation für die ukrainischen Streitkräfte in Kursk entwickelt, hänge zudem massgeblich davon ab, ob die Ukraine diesen Raum wirklich nachhaltig besetzen und halten könne. «Das ist per heute einfach noch nicht klar», so Keupp und verweist dabei auf die entscheidende Rolle, welche einer funktionierenden Logistik zukommen werde.

Russen würden Raum absichern

Im Moment sei der Vorstoss nach Kursk lediglich als Operation der Bewegung zu verstehen. Zwar habe die Ukraine derzeit die Initiative und stosse relativ schnell vor. «Aber das wird sich halt irgendwann ändern müssen, wenn der Plan tatsächlich ist, diese Räume zu halten.»

Solange die Lage also noch mobil und unklar ist, ist gemäss Keupp etwas Zurückhaltung angesagt. «Auch, wenn die Russen im Moment ziemlich dilettantisch agieren, wird es ihnen irgendwann schon gelingen, diesen Raum abzusichern.»

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