Als die 64. Brigade der russischen Armee vor rund vier Wochen in die ukrainische Kleinstadt Butscha einrückte, sorgte sie für Tod und Zerstörung. Die Soldaten der Einheit folterten und vergewaltigten, sie richteten Zivilisten auf offener Strasse hin. Bisher wurden mindestens 400 Leichen gefunden – darunter auch Frauen und Kinder. Doch statt für ihre Gräueltaten bestraft zu werden, wurde die Brigade von Wladimir Putin (69) höchstpersönlich mit einem Ehrentitel ausgezeichnet.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt konnte auf der Suche nach den Tätern zunächst zehn Männer identifizieren. Ihre Bilder wurden vom ukrainischen Verteidigungsministerium in einem Tweet veröffentlicht. Sie werden dabei als die «abscheulichen 10» bezeichnet.
Kassierer und Tänzer
Die Männer sollen zwischen 24 und 33 Jahren alt sein. Einer von ihnen ist Sergej P.* (24) aus der sibirischen Republik Jakutien. Wie «The Times» berichtet, soll er noch bis November 2021 in einem Supermarkt als Kassierer gearbeitet haben. Dann meldete er sich freiwillig – angeblich aus Vorfreude auf einen möglichen Krieg mit der Ukraine. Offenbar meldete sich auch Semjon M.* (26) freiwillig für den Kampf. Seinen Job als professioneller Tänzer schmiss der Mann aus dem Osten Russlands dafür hin.
Unter den mutmasslichen Tätern gibt es aber auch solche, die schon länger im Dienst der Armee stehen: Etwa Korporal Andrej B.* (33), der bereits seit über zehn Jahren Teil der russischen Streitkräfte ist. Dass einige der Täter selber Frau und Kinder haben sollen, macht ihre Taten noch unverständlicher. Familienvater Nikita A.* beispielsweise wird vorgeworfen, in Butscha Zivilisten entführt und gefoltert zu haben.
«Erster Mord-Verdächtiger identifiziert»
Am Montagnachmittag veröffentlicht die Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa einen weiteren Namen: Sergej K.* (35), Kommandeur der Nationalgardeeinheit in Uljanowsk. «Der erste Verdächtige der Butscha-Morde wurde identifiziert», schreibt sie. Der Mann soll Berichten zufolge ein belarussischer Staatsbürger sein.
Den Ermittlungen zufolge hat der Verdächtige am 18. März mindestens vier Zivilisten in Butscha getötet. Ihre Leichen wurden mit auf dem Rücken gefesselten Händen und Folterspuren gefunden. Es wurde auch festgestellt, dass der Soldat am 29. März einen weiteren Einwohner gefoltert hatte, indem er ihn zwang, subversive Aktivitäten gegen die russische Armee zu gestehen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
An die Front geschickt
Ob die gesuchten Männer noch am Leben sind, ist jedoch fraglich. Nachdem die Brigade von Putin ausgezeichnet worden war, wurde sie wieder zurück in den Krieg geschickt – diesmal an die Donbass-Front. Dort sollen sie hohe Verluste erlitten haben.
Ihr Einsatzort ist nicht zufällig gewählt: Laut ukrainischen Angaben hat der russische Präsident offenbar Angst, dass die Schlächter von Butscha eines Tages vor Gericht landen und weitere Details zum Massaker preisgeben könnten – möglicherweise löst ihr Einsatz in der heftig umkämpften Ostukraine dieses Problem nun von alleine. Trotz der erdrückenden Beweislage leugnet Russland offiziell noch immer die Gräueltaten von Butscha. (bra/man)
*Namen bekannt