Eine Hand im Dreck. Die leblosen Finger sind gekrümmt, der rote Nagellack sticht als unheimliche Farbtupfer aus dem düsteren Bild hervor. Das Foto wurde zum Symbol für den Horror von Butscha. Die Stadt war ab dem 27. Februar von der russischen Armee besetzt worden und blieb daraufhin über einen Monat lang weitgehend unzugänglich. Die Aufnahmen und Berichte aus dem Ort über getötete Zivilisten lösten weltweit Entsetzen aus.
Die Hand gehört Iryna F.* (†52). Sie wurde von den Russen getötet und hinterlässt zwei Töchter namens Nadiia F.* (31) und Olga F.* (26). Die beiden Mädchen konnten aus Butscha fliehen, blieben aber mit ihrer Mutter in Kontakt. Zuletzt hatte die jüngere Tochter mit F. telefoniert. Die 52-Jährige befand sich gerade auf dem Heimweg. Am Ende des Gesprächs sagte sie zu ihrer Tochter. «‹Mama liebt dich›, dann legte sie auf», sagt Tochter Olga zu «Bild».
Kurz danach wurde ihre Mutter von einem russischen Panzer beschossen, als sie mit ihrem Velo an einer Seitenstrasse entlang ging, wie auf Satellitenvideos zu sehen ist. Mama Ira, wie die Mutter von ihren Kindern und Freunden liebevoll genannt wurde, kam dabei ums Leben.
Töchter erfuhren über soziale Netzwerke vom Tod ihrer Mutter
Ein Schock für die Familie. «Wir lebten alle zusammen im Dorf Mychajliwka-Rubeschiwka, 15 Minuten von Butscha entfernt», erzählt Tochter Olga weiter. Vor der Invasion von Putins Truppen hätten sie ein ganz normales Leben geführt. Arbeit, Ferien, Freunde. Und plötzlich brach der Krieg über das kleine Glück herein. Jetzt ist Mama Ira tot.
Vom Tod ihrer Mutter hätten Olga und Nadiia «über soziale Netzwerke» erfahren. Dass sie nicht mehr lebt, können die beiden Töchter immer noch nicht fassen. So einen Schmerz habe sie noch nicht gefühlt. Olga fühlt sich so schlimm wie noch nie in ihrem jungen Leben.
Stiftung im Namen der Mutter gegründet
Mit ihrem Schicksal ist die Ukrainerin nicht allein. Allein in Butscha fielen mehr als 410 Personen den brutalen Russen zum Opfer. Wie viele davon Eltern mit Kindern waren, ist nicht klar. Olga will anderen Ukrainern, die ähnliches Leid wie sie erfahren mussten, helfen.
Dazu hat die Ukrainerin jetzt eine Stiftung gegründet, die sie zu Ehren ihrer Mutter «Mama Ira» getauft hat. «Ich möchte, dass alle Kinder, die ihre Eltern verloren haben oder unter dem Krieg in der Ukraine gelitten haben, qualifizierte Hilfe erhalten können. Schliesslich sind sie unsere Fortsetzung und der wichtigste Wert», erklärt sie. Mit einem Spendenkonto sollen so ukrainische Kinder in Not geschützt werden.
Weil das Bild der Hand von F. um die Welt ging, erkannte Anastasiia S.* sofort, dass F. tot war. «Als ich es sah, brach mir das Herz», sagte die ukrainische Make-up-Künstlerin zur «New York Times». Sie hatte ihre Bekannte an den Fingernägeln erkannt. Sie sei eine liebe Frau gewesen.
(obf)
* Namen bekannt