Dramatische Szenen spielten sich in der Nacht zum Montag vor Sizilien ab. Das Luxus-Segelboot Bayesian mit zwölf Passagieren und zehn Besatzungsmitgliedern ging in einem Sturm unter.
15 Menschen konnten gerettet werden. Eine Person konnte am Dienstag nur noch tot aus dem Wasser gezogen werden. Beim Toten handelt es sich um den Schiffskoch.
Vier weitere Leichen wurden Medienberichten zufolge am Mittwochnachmittag gefunden. Wie mehrere Medien, darunter der britische «Mirror», übereinstimmend berichten, handelt es sich dabei um Mike Lynch (†59) und seine Tochter (†18). Wie «La Stampa» berichtet, handelt es sich bei den weiteren Leichen um den Bankier Jonathan Bloomer und den Anwalt Chris Morvillo. Ihre Körper wurden alle geborgen.
Am Freitagabend meldete «Sky News» unter Berufung auf die sizilianische Zivilschutzbehörde, dass die Bemühungen, eine fünfte Leiche an Land zu bringen, «im Gange» seien.
Eine Person wird noch vermisst. In der Nacht auf Donnerstag musste die Suche zwischenzeitlich abgebrochen werden.
18 Wasserhosen am Tag des Unglücks
Bloomer war Präsident bei Morgan Stanley International. Er war gemeinsam mit seiner Frau an Bord. Bloomer gilt als enger Freund Lynchs. Chris Morvillo, ein Anwalt der britischen Anwaltskanzlei Clifford Chance, vertrat Lynch Anfang des Jahres in einem massiven Betrugsfall in Kalifornien.
Das Internationale Zentrum für Wasserhosen-Forschung (ICWR) zählte am Tag des Untergangs der Bayesian insgesamt 18 Wasserhosen vor der Küste Italiens. Eine davon könnte bei dem Unglück eine Rolle gespielt haben. Offiziell bestätigt ist das aber nicht.
«Wir haben es nicht kommen sehen»
Yacht-Kapitän James Cutfield äusserte sich in knappen Worten gegenüber «La Repubblica» zu dem Vorfall. «Wir haben es nicht kommen sehen», sagte Cutfield vor der Notaufnahme des Spitals, wohin er zusammen mit vier weiteren Passagieren der Bayesian gebracht worden war. Der Zeitung zufolge soll er im Spital in Tränen ausgebrochen sein.
Feuerwehrsprecher schildert Situation im Wrack
Die Sucharbeiten von bis zu 50 Rettungskräften gestalteten sich nach Angaben der Feuerwehr schwierig. Das Wrack der Bayesian liegt in einer Tiefe von 49 Metern auf dem Meeresgrund. Bei einer ersten Inspektion hatten sich die Spezialtaucher zunächst nur Zugang zur Kommandobrücke verschaffen können. «Der Weg ins Innere der Jacht ist versperrt», hiess es.
Wegen der Tiefe, in der das gesunkene Schiff liegt, ist jeder Tauchgang auf zwölf Minuten begrenzt, wie Feuerwehrsprecher Luca Cari berichtete. Zwei Minuten davon sind für das Auf- und Abtauchen vorgesehen. Mehrere der jetzt beteiligten Spezialisten waren nach den Worten von Marco Tilotta vom Tauchteam der Feuerwehr von Palermo bereits am Wrack des Kreuzfahrschiffs «Costa Concordia» im Einsatz, das 2012 vor der Küste der Toskana gesunken war. Damals starben 32 Menschen.
Die Bemühungen konzentrierten sich laut Tilotta darauf, in die Wohn- und Schlafräume der auf der Seite liegenden Jacht vorzustossen. «Die Räume im Inneren eines Boots sind sehr beengt», schilderte Feuerwehrsprecher Cari. «Wenn man auf ein Hindernis stösst, ist es sehr schwierig zu umgehen, genauso schwer ist es, Alternativrouten zu finden.»
Einer der reichsten Männer Grossbritanniens
Lynch hat in seiner Heimat ein Technologie-Imperium aufgebaut. In Grossbritannien war er besser bekannt als «britischer Bill Gates». Er war Mitgründer der Softwarefirma Autonomy, die 2011 für elf Milliarden Pfund (aktuell 12,3 Mrd. Franken) an den US-Konzern Hewlett Packard verkauft wurde. Seitdem galt Lynch als einer der reichsten Männer Grossbritanniens. Sein Vermögen wird auf umgerechnet, 955 Millionen Franken geschätzt.
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Erst vor wenigen Wochen wurde Lynch in einem Betrugsprozess in den USA rund um den Autonomy-Deal freigesprochen. Der Tech-Tycoon hatte nach seinem Freispruch erklärt, er habe befürchtet, im Gefängnis zu sterben, falls er für schuldig befunden worden wäre. Aufgrund von gesundheitlichen Problemen wäre es für ihn «schwierig gewesen, eine Haftstrafe zu überleben», sagte er gegenüber der Times.
Lynch war in seiner Heimat beliebt. Der Vater zweier Töchter wurde sogar für seine Verdienste rund um die Wirtschaft im Land im Jahr 2006 mit einem Orden ausgezeichnet. Im selben Jahr wurde er in den Vorstand der BBC berufen und 2011 in den Rat für Wissenschaft und Technologie des damaligen Premierministers David Cameron (57) gewählt. Er beriet den Premierminister unter anderem zu Themen wie künstlicher Intelligenz. Lynchs Frau erzählte gegenüber «La Repubblica», dass sie und ihr Mann um 4 Uhr morgens aufgewacht seien, als das Boot kippte.
«Viele haben geschrien»
Acht der Geretteten wurden in Spitäler eingeliefert. Unter ihnen war Charlotte, eine 35-jährige Britin, die sich zusammen mit ihrem Ehemann, ihrer kleinen Tochter und Kollegen einer Londoner Firma an Bord der Bayesian aufgehalten hatte.
Bei dem Unglück habe sie ihre einjährige Tochter «für zwei Sekunden» im Wasser verloren, bevor sie sie packen konnte, schilderte sie der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. «Ich habe sie inmitten der tosenden Wellen fest in meine Arme genommen. Viele haben geschrien. Zum Glück war das Rettungsboot aufgeblasen und wir sind zu elft an Bord geklettert», berichtete sie.
Karsten Börner, der Kapitän einer weiteren zum Unglückszeitpunkt vor Porticello ankernden Jacht, berichtete der Zeitung «Corriere della Sera», in der Nacht des Sturms habe es eine «sehr starke Hurrikan-Böe» gegeben. Er habe kämpfen müssen, um sein Schiff stabil zu halten. Er habe beobachtet, wie der Mast der Bayesian geschwankt habe und dann umgeknickt sei.