Weg mit ihnen! Das ist das britische Motto im Umgang mit Migranten. Seit 2018 sind fast 130'000 Boote mit durchschnittlich bis zu 50 Passagieren illegal an den britischen Gestaden gelandet. Das soll jetzt aufhören.
Das Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das die Abschiebung illegal eingereister Personen nach Ruanda vorsieht – und Migranten von der Flucht ins Königreich abschrecken soll. Premierminister Rishi Sunak (43) verspricht, dass schon im Sommer die ersten Spezialflüge in Ruandas Hauptstadt Kigali landen werden. Nur zwei Dinge könnten das radikale Experiment noch stoppen.
Die Piloten der Sonderflüge. Sie können den Abflug nach Kigali abbrechen, wenn die Stimmung an Bord zu aggressiv ist.
Oder König Charles III, der per Veto jeden Entscheid des Parlaments für nichtig erklären könnte. Das royale «No» ist allerdings unwahrscheinlich. Zum letzten Mal mischte sich Königin Anne in den britischen Gesetzgeberprozess ein – im Jahr 1708.
London will mögliches Strassburger Urteil «ignorieren»
Den britischen Gerichten aber sind nach dem Gesetzesbeschluss faktisch die Hände gebunden. Und die Meinung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist in London so viel wert wie eine kalte Tasse irischer Tee. Das machte Premier Sunak überdeutlich, als er betonte, einen entsprechenden Gerichtsentscheid aus Strassburg würde man schlicht «ignorieren».
Kurz: Die Ruanda-Flüge kommen. Flüchtlinge, die auf ein Leben in Grossbritannien hofften, müssen sich in Zukunft entscheiden, ob sie in Kigali um ruandisches Asyl bitten oder doch lieber in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen.
Hintergrund für den Entscheid sind die hohen Kosten, die die Unterbringung der Flüchtlinge verursacht haben. Wegen der überfüllten Unterkünfte mussten die Behörden auf Hotels ausweichen, um die Asylsuchenden zu beherbergen. Das kostete pro Tag 7,7 Millionen Franken.
Die migrationskritische Vereinigung «Migration Watch UK» rechnet vor, was man mit dem Geld auch noch machen könnte: 52'000 Pflegefachpersonen anstellen, 62'000 Soldaten bezahlen oder 37'000 Polizisten ausbilden.
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Die Abschiebung der Migranten nach Ruanda wird allerdings alles andere als günstig. Bislang liess die britische Regierung Kigali umgerechnet 330 Millionen Franken überweisen, obwohl noch kein einziger Flüchtling dort angekommen ist. Pro abgeschobenem Migranten werden laut dem britischen Rechnungsprüfungsamt zusätzlich bis zu 190'000 Franken hinzukommen. Ruanda lässt sich für seinen Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Flüchtlings-Dienst fürstlich entlöhnen.
Europa ist dicht auf Grossbritanniens Fersen
Der Aufschrei, der wegen des Beschlusses durch gewisse europäische Regierungspaläste hallt, ist heuchlerisch. Das EU-Parlament hat gerade eben eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Die neue Regelung sieht vor, dass Migranten ihre Asylanträge in Zukunft an der europäischen Aussengrenze stellen und dann draussen vor den Toren Europas auf ihren Bescheid warten müssen.
Gelöst sind die Probleme, die eine Rekordzahl von Personen derzeit zur Flucht bewegen (laut UNO mehr als 36 Millionen Menschen) mit dem Abschieben der Hoffnungsvollen in ferne Länder natürlich noch lange nicht.
Immerhin in einem Punkt aber zeigt sich der britische Premier bereit, nicht nur die Auswirkungen, sondern auch die Ursachen von Migration zu bekämpfen. Am Dienstag gab er bekannt, sein Land werde auf Kriegsmodus umstellen und die Rüstungsausgaben mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auf 2,5 Prozent des BIP erhöhen. Wenn Russland den Krieg gewinnt, schwemmt das zig Millionen neuer Flüchtlinge in den Westen. Zu viele, um sie alle nach Ruanda ausfliegen zu können.