Historisch unbeliebter Briten-Premier
Rishi Sunak – der Sündenbock der Konservativen

Seine Partei hat zwei Sitze im Parlament verloren, er ist unbeliebt wie noch nie: Premierminister Rishi Sunak muss zittern. Denn seine Partei möchte ihn loswerden. Kann er sich noch retten?
Publiziert: 16.02.2024 um 18:33 Uhr
Rishi Sunaks Partei ist im historischen Tief. Wie kann er sich und die Tories noch retten?
Foto: AFP
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Es war eine besonders furchtbare Woche für den britischen Premierminister Rishi Sunak (43): Am Donnerstag bestätigten offizielle Wirtschaftsdaten, dass Grossbritannien Ende letztes Jahr in eine Rezession gefallen war. Und dann verlor seine Partei in der Nacht auf Freitag während Parlaments-Nachwahlen zwei Sitze. 

Jetzt muss Sunak zittern: Seit Wochen werden immer wieder Stimmen laut, die seine Abwahl noch vor den Parlamentswahlen im Herbst fordern. Das schreiben mehrere britische Medien am Freitag. Denn der noch junge Politiker hat von seinen Vorgängern viele Probleme geerbt und es bis heute nicht geschafft, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das zeigt sich auch in den jetzigen Nachwahlen – die historisch schlecht waren für die Tories.

Tories mit historischem Verlust – Labour freuts

Bei den Parlamentswahlen 2019 gewannen die konservativen Tories den Sitz in Wellingborough mit mehr als 18'000 Stimmen Abstand. Dieses Mal entschied die Labour-Partei die Wahl mit 6436 Stimmen Vorsprung für sich – ihr grösster Stimmenzuwachs bei einer Nachwahl seit 1994. Bei der anderen Wahl in Kingswood gewann die Labour-Party den Sitz mit 2501 Stimmen Vorsprung. Im Jahr 2019 ergatterten die Konservativen diesen Sitz noch mit über 11'000 Stimmen mehr.

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Rishi Sunak und seine Partei befinden sich auf Abwegen – in der Nacht auf Freitag haben sie zwei Parlamentssitze verloren.
Foto: keystone-sda.ch

Dieser gewaltige Stimmenverlust spiegelt die tief sitzende Müdigkeit der Wähler gegenüber den Tories wider. Seit 14 Jahren stellt die Partei die Regierung, sie war in den letzten Jahren immer wieder von Skandalen gebeutelt, und eine Lösung für die desolate wirtschaftliche Situation Grossbritanniens ist nicht in Sicht. Die Wähler wollen eine neue Regierung, schreibt die «New York Times».

Der Druck auf Sunak und seine Regierung steigt also. Denn solche irregulären Wahlen gelten als Vorboten für nationale Wahlen – und noch dieses Jahr wird Grossbritannien ein neues Unterhaus wählen. Und Labour ist siegessicher – das gute Gefühl bestätigen auch Umfragen von «Sky News». Bei den konservativen Tories herrscht dagegen schon beinahe panische Stimmung. Und sie suchen nach einem Schuldigen.

Ist Sunak bereits am Ende?

Es ist ein allzu bekanntes Bild in der britischen Politik: Der Premierminister – in diesem Fall der konservative Sunak – wird nach einer Niederlage isoliert und von aufmüpfigen Parteikollegen, die ihn aus dem Amt drängen wollen, zum Sündenbock gemacht. Wir sahen es bereits bei Theresa May (67), Boris Johnson (59) und Liz Truss (48). Muss Sunak also bald das Zepter abgeben?

Schon vor der Abstimmung am Donnerstag hatte Sunak diese Befürchtungen durch eine Reihe von politischen Fehltritten verstärkt. Vor wenigen Tagen schloss er eine Wette mit Fernsehmoderator Piers Morgan (58) ab, dass er noch vor den kommenden Wahlen Asylsuchende zurück nach Ruanda senden würde. Kritiker bezeichneten dies als geschmacklos.

Dann geriet Sunak unter Beschuss, weil er im Unterhaus einen Witz über die Haltung der Labour-Partei zu Transgender-Personen gemacht hatte. Während Sunak sprach, besuchte die Mutter von Brianna Ghey (†16), einem ermordeten Transgender-Teenager, das Parlament. Sunak lehnte es wiederholt ab, sich zu entschuldigen.

Mit seinen fünf Wahlversprechen hat sich Sunak selbst ein tieferes Loch gegraben. Neben der Wiederherstellung des Wirtschaftswachstums versprach er, die Inflationsrate zu halbieren, die Staatsverschuldung abzubauen, den Zustrom von Booten über den Ärmelkanal zu stoppen und die Wartezeiten in den Krankenhäusern zu verkürzen. Bis auf die Senkung der Inflationsrate, wofür der Bank of England wohl ein grosser Teil des Dankes gebührt, hat er bisher keines dieser Ziele erreicht.

Konservative können Sunak nicht ausschliessen

Doch: Die jetzigen Intrigen gegen Sunak werden nach Ansicht der «New York Times» genauso wenig Erfolg haben wie bei seinen früheren Führungskrisen. Wie verzweifelt die politische Lage der Konservativen auch immer sein mag, es würde ihnen schwerfallen, aktuell ihren schwächelnden Premierminister durch jemand anderen zu ersetzen.

Wenn er nicht bereit ist, von seinem Amt zurückzutreten – wofür es keine Anzeichen gibt – müssten sich mehr als 50 konservative Abgeordnete gegen Sunak stellen, um ein Misstrauensvotum zu erzwingen. Die Partei ist zudem gespalten. Dadurch werden die Bedingungen für einen parteiinternen Staatsstreich, wie er die letzten beiden Vorsitzenden der Konservativen, Truss und Johnson, aus dem Amt gejagt hat, schwierig.

Wahrscheinlicher ist, dass Sunak von der oppositionellen Labour-Partei aus dem Amt gefegt wird. Sie hat beide Sitze am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit erobert – und dürfte wohl auch bei den nationalen Unterhaus-Wahlen abräumen.

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