Litauen könnte der Schweiz als Vorbild dienen
Mutiger Kleinstaat provoziert Moskau und China

Statt wie die Schweiz auf neutrale Zurückhaltung setzt der kleine baltische Staat inmitten der geopolitischen Krise auf eine mutig-freche Aussenpolitik. Das könnte sich auszahlen – und der Schweiz als Vorbild dienen. Eine Analyse.
Publiziert: 13.07.2023 um 19:42 Uhr
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Aktualisiert: 13.07.2023 um 22:49 Uhr
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Die litauische Hauptstadt Vilnius vereint Tradition und Moderne.
Foto: Go Vilnius, Gabriel Khiterer
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Augen zu und durch: Auf diese Strategie setzt die Schweiz seit Beginn des Ukraine-Krieges. Ausser dem knappen Ja zu den Sanktionen gegen Russland und ein paar Finanzspritzen für Kiew hat sich die Eidgenossenschaft inmitten des geopolitischen Erdbebens nicht aus ihrem neutralitätsgetünchtem Häuschen getraut.

Dass man als europäischer Kleinstaat angesichts der Bedrohungen aus dem Osten auch ganz anders agieren kann, zeigt das Beispiel Litauen, diese Woche Gastgeber des Nato-Gipfels. Der südlichste der drei baltischen Staaten hat gerade mal 2,9 Millionen Einwohner. An Unerschrockenheit aber mangelt es den Litauern nicht. Drei Beispiele zeigen: Das zahlt sich aus.

1) Taiwan und die Chip-Wette

2021 hat Litauen Taiwan erlaubt, eine de-facto Botschaft in Vilnius zu eröffnen. Taiwans Unabhängigkeit anerkennt Litauen zwar nicht vollends. Dennoch spricht Peking, das Taiwan als chinesische Provinz erachtet, von «ungeheuerlichen Provokationen in Litauen». China hat den litauischen Botschafter rausgeworfen und blockiert Export-Güter, die in Richtung des Baltikums verschifft werden sollten.

Die litauische Regierung ihrerseits zeigt sich unbeeindruckt. In ihrem Koalitionsvertrag steht, man werde sich für die Freiheitsbemühungen in Taiwan einsetzen. Ganz anders handelt der Schweizer Bundesrat. Er verteidigte seine Zurückhaltung in Bezug auf Taiwan zuletzt im April explizit mit Verweis auf Litauen, das von Peking für sein Vorpreschen wirtschaftlich abgestraft werde.

Was der Bundesrat auslässt: Taiwan ist einer der wichtigsten Halbleiter-Produzenten der Welt. Ohne diese Chips funktioniert bald keine Maschine mehr. 200 Millionen Dollar und viel Know-how will Taiwan in Litauen investieren, um die Chip-Produktion im baltischen Staat anzukurbeln. Vilnius' Taiwan-Wette könnte aufgehen.

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2) Russen-Energie? Nein Danke!

Während die Schweiz zu Kriegsbeginn fast die Hälfte ihres Gases aus Russland bezog, stellte Litauen im April 2022 die russischen Gashähne ab – als allererstes Land in Europa. Einen Monat später verkündete die Regierung, man beziehe per sofort auch keine andere Energie mehr vom Moskauer Kriegsregime.

Möglich machte das die weitsichtige litauische Energieplanung. Bereits 2014 eröffnete das Land ein erstes Flüssiggasterminal, um sich baldmöglichst von den russischen Pipelines lossagen zu können.

Apropos lossagen: Die Stalin- und Lenin-Statuen, die vor dem litauischen Austritt aus der Sowjetunion im März 1990 überall im Land herumstanden, hat ein litauischer Unternehmer Anfang der Nullerjahre aufgekauft und sie in einem Wald in ein künstliches KZ gesperrt. Eine deutlichere Kante kann man Moskau kaum geben.

3) Cyber-Superstars von morgen

Gratis Highspeed-Internet in den grossen Städten und die gerade eben verkündete 100-Millionen-Investition in das Cyber-Startup-Quartier «Tech Zity» ausserhalb von Vilnius sind zwei Beispiele für Litauens kompromisslosen Cyber-Kurs. Nicht zuletzt deshalb bezeichnet die britische «Financial Times» Vilnius als eine der drei attraktivsten europäischen Städte für ausländische Investoren.

In den kommenden Jahren will Litauen ein elektronisches System einführen, um das Wählen und Abstimmen zu vereinfachen. Von der schwierigen Vergangenheit haben die Litauer die Nase voll. Hier gilt: volle Kraft voraus.

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