Die Welt darf nach dem 35-minütigen Besuch des US-Aussenministers Antony Blinken (61) beim chinesischen Staatspräsident Xi Jinping (70) am Montag aufatmen. Für die Insel Taiwan aber war der diplomatische Schwatz enttäuschend.
1) Was hat Blinkens Besuch in Peking zu bedeuten?
Die Beziehung zwischen den beiden mächtigsten Ländern der Welt ist gerade extrem angespannt (Stichwort Taiwan, Uiguren, chinesische Spionage-Ballons über Amerika). Antony Blinkens (61) Besuch in Peking zeigt: Die Giganten wollen wieder in Minne miteinander auskommen. Xi Jinping (70) wünscht sich «stabile Verhältnisse», und Blinken machte den Chinesen ein diplomatisches Geschenk, in dem er betonte, die Vereinigten Staaten würden Taiwans Unabhängigkeit nicht anerkennen. Das sind fürs Erste gute Neuigkeiten für die Welt – ausser für die Unabhängigkeitsbefürworter in Taiwan.
2) Was bedeutet der Besuch für Taiwan?
Dass die lange Phase der Unsicherheit weitergeht. China hat seit der Amtseinsetzung von Taiwans Pro-Unabhängigkeits-Präsidentin Tsai Ing-wen (66) 2016 seine militärischen Provokationen gegen die Insel verstärkt. Xi droht immer wieder, die «Wiedervereinigung» Taiwans mit China notfalls militärisch zu erzwingen. Taiwan setzt für seine Verteidigung auf die «Stachelschwein-Taktik»; eine Réduit-ähnliche Defensiv-Strategie, die darauf zählt, dass die Chinesen Taiwans Steilküsten nicht einnehmen können. Ohne amerikanische Hilfe würde es dennoch knapp für Taiwan. Mehr als ein paar mündliche Zusagen von US-Präsident Joe Biden (80) haben die Taiwaner aber bis heute nicht in der Hand.
3) Worum gehts beim Taiwan-Streit?
China sieht die Insel (24 Millionen Einwohner, knapp so gross wie die Schweiz) als chinesische Provinz. Taiwans Regierung aber betont Taiwans Unabhängigkeit. Die Streitigkeiten zwischen den beiden Seiten gehen zurück bis ins Jahr 1949, als die Anhänger der Kuomintang-Partei den chinesischen Bürgerkrieg gegen Mao Tsetungs Kommunistentruppen verloren hatten und sich auf die Insel absetzten.
4) Wie steht die Schweiz zu Taiwan?
Bern unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan und anerkennt dessen Unabhängigkeit nicht. Erst im April machte der Bundesrat erneut deutlich, wie heikel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Taipeh wäre. In einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage verwies er auf den baltischen Staat Litauen, der 2021 eine taiwanische Botschaft in Vilnius eröffnete und von China mit einer sofortigen Auflösung aller Handelsbeziehungen bestraft wurde.
5) Ist die Gefahr eines China-USA-Krieges jetzt gebannt?
Nein. Die direkten Gespräche sind kein Garant für Frieden. Das zeigt der Biden-Putin-Gipfel in Genf im Sommer 2021. Damals tauschten sich der amerikanische und der russische Präsident vermeintlich persönlich aus. Ein halbes Jahr später lancierte Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine. Chinas Verhalten in ebendiesem Krieg (die Chinesen bleiben ein enger Verbündeter Russlands, auch wenn sie Moskau bislang keine Waffen geschickt haben) könnte jederzeit zu einem neuen Bruch in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen führen.