«Limnische Eruption» am Kiwu-See
Droht hier die grösste Naturkatastrophe der Menschheitsgeschichte?

Der Kiwu-See in Afrika birgt eine tödliche Gefahr: Unter seiner Oberfläche lagern riesige Mengen Kohlendioxid und Methan. Wissenschaftler warnen vor einer limnischen Eruption, die Millionen Menschenleben bedrohen könnte.
Publiziert: 28.10.2024 um 10:50 Uhr
|
Aktualisiert: 29.10.2024 um 11:07 Uhr
1/11
Im Kiwu-See ist eine riesige Menge Kohlendioxid und Methan gebunden.
Foto: AFP

Auf einen Blick

  • Gefahr durch Gase im Kiwu-See
  • Grosse Mengen Kohlendioxid und Methan lagern im See
  • Erdbeben oder Vulkanausbruch könnten Katastrophe auslösen
  • Methan-Förderung könnte Vor- oder Nachteile haben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_AUTOR_250.JPG
Marian NadlerRedaktor News

Es wirkt wie eine Idylle im Herzen Afrikas. Boote, meist aus Holz, bringen Passagiere von einer Seite des Kiwu-Sees zur anderen. Fischer werfen ihre Netze aus, eine Fähre tuckert durch die Gegend. Hier ist die Welt noch in Ordnung, könnte man meinen.

Doch dem ist nicht so. Das liegt nicht nur an den Konflikten, die sich Militärs aus der Demokratischen Kongo und Ruanda immer wieder liefern – erst im vergangenen August wurde nach zweieinhalb Jahren ein Waffenstillstand vereinbart – auch die Natur ist hier gefährlicher, als man denkt.

Millionen Menschen würden sterben

In dem bis zu 480 Meter tiefen See schlummert eine Gefahr, die das Leben der Personen, die am Ufer des Sees siedeln, für immer verändern könnte. Davor warnen Experten schon seit längerem. Denn: Unter der Wasseroberfläche des Kiwu-Sees lagern riesige Mengen Kohlendioxid und Methan.

Wissenschaftler befürchten eine sogenannte limnische Eruption in dem Gewässer. Dann würden sich die umweltschädlichen Gase massenhaft lösen und an die Oberfläche gelangen. Die dramatische Folge: Rund zwei Millionen Menschen könnten innert Minuten getötet werden.

Methan-Fördermenge soll verfünffacht werden

300 Kubikkilometer Kohlendioxid und 60 Kubikkilometer Methan sind nach Angaben von Forschern in dem See gebunden, wie die Fachzeitschrift «Nature» berichtet. Die umgerechnet 2,6 Gigatonnen Kohlendioxid entsprächen fünf Prozent der jährlichen Treibhausgas-Emissionen – weltweit.

Der Kiwu-See liegt im Grenzgebiet zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Ruanda.
Foto: Dominik Baumann / Blick-Grafik

Bei der Freisetzung der Gase würden die Ufer-Bewohner qualvoll ersticken. Die Experten befürchten, dass ein Erdbeben oder ein Vulkanausbruch die grösste Naturkatastrophe aller Zeiten auslösen könnten. Zu den Risikofaktoren zählen auch Erdrutsche und das Absinken des Wasserspiegels. Zwei aktive Vulkane befinden sich in direkter Umgebung des Sees.

Für weitere Gefahr sorgen könnte menschliche Gier. Das im See lagernde Methan ist, wenn kontrolliert gefördert, ein Vermögen wert. Im Laufe der nächsten 50 Jahre könnte Methan im Wert von umgerechnet 36,5 Milliarden Franken gewonnen werden. Heute wird das Gas verwendet, um die Energieversorgung in der Region stabil zu halten. In den nächsten Jahren soll die Fördermenge verfünffacht werden.

Schiff kentert mit mehr als 450 Passagieren
0:53
Videoaufnahmen zeigen:Schiff kentert mit mehr als 450 Passagieren

Limnische Eruption in Kamerun: 1700 Tote

Einigen Wissenschaftlern gefallen diese Pläne überhaupt nicht. Die Gewinnung des Methans könnte das fragile Gleichgewicht des Kiwu-Sees beeinträchtigen, was im schlimmsten Fall zur Mega-Explosion führen könnte.

Wie eine limnische Eruption aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus der Historie. Im August 1986 kam es im Nyos-See in Kamerun zu einer limnischen Eruption. Anschliessend starben 1700 Menschen einen qualvollen Erstickungstod. Zudem verendeten 3500 Tiere.

Vielleicht ist die Gewinnung von Methan aber auch genau das Richtige. Einer Untersuchung des Schweizer Wasserforschungsinstitutes EAWAG zufolge, stieg der Methan-Gehalt im Kiwu-See zwischen 1975 und 2005 um 15 Prozent. Hielte dieser Trend an, würde das Gewässer spätestens im Jahr 2090 seine natürliche Methan-Sättigung erreichen. Dann wäre eine Eruption nicht mehr zu verhindern.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?