Darum gehts
- BND hält Laborunfall in Wuhan als Ursache der Corona-Pandemie für wahrscheinlich
- Merkel weist Vorwürfe der Vertuschung von Geheimdiensterkenntnissen zurück
- Labor-These wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet
Fünf Jahre nach der ersten Welle der Corona-Pandemie ist immer noch nicht geklärt, wo das Virus genau seinen Ursprung fand. Der Bundesnachrichtendienst (BND), der deutsche Auslandsnachrichtendienst, hält es für wahrscheinlich, dass ein Laborunfall im chinesischen Wuhan die Ursache der weltweiten Corona-Pandemie gewesen ist. Zu dieser Bewertung kam der BND nach Informationen von «Süddeutscher Zeitung» und «Zeit» bereits im Jahr 2020.
Grundlage war, neben einer Analyse öffentlicher Daten, vor allem Material, das im Rahmen einer nachrichtendienstlichen Operation mit dem Codenamen «Saaremaa» beschafft wurde, wie die beiden Medien am Mittwoch berichteten.
Dabei handelt es sich den Berichten zufolge unter anderem um wissenschaftliche Daten aus chinesischen Forschungseinrichtungen – darunter dem «Wuhan Institut für Virologie», einer der führenden chinesischen Einrichtungen für Viren-Forschung. Neben Hinweisen auf riskante Experimente, bei denen in der Natur vorkommende Viren künstlich verändert wurden, soll das Material auch zahlreiche Verstösse gegen Vorschriften für die Labor-Sicherheit nachweisen.
Informationen unter Verschluss gehalten
Den Auftrag, die Herkunft des neuartigen SARS-CoV-2-Virus zu untersuchen, hatte demnach das Kanzleramt erteilt. Noch in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unterrichtete BND-Präsident Bruno Kahl persönlich das Kanzleramt über die nachrichtendienstliche Operation und die Bewertung des Dienstes.
Die Labor-These wurde mit einer Wahrscheinlichkeit von 80 bis 95 Prozent bewertet, wie die beiden Zeitungen berichteten. Das Kanzleramt habe entschieden, die brisante Einschätzung unter Verschluss zu halten.
Merkel weist Vorwürfe zurück
Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Vorwürfen der Vertuschung von Geheimdiensterkenntnissen über den Ursprung des Coronavirus widersprochen. Sie weise diese «ganz grundsätzlich zurück», teilte eine Sprecherin Merkels dem «Tagesspiegel» am Donnerstag mit. Merkel sehe sich zudem ausserstande, sich zu der Sache selbst zu äussern. Merkels Büro verwies bei «Sachfragen an das Bundeskanzleramt», weil dort die amtlichen Unterlagen aus der Regierungszeit Merkels lägen und nicht in ihrem heutigen Büro.
Der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wusste nach eigener Aussage nichts von dem Geheimdienstbericht. «Den kenne ich nur aus der Berichterstattung, und deswegen kann ich den an dieser Stelle auch ohne weitere Kenntnis nicht kommentieren», sagte Spahn am Donnerstag den Sendern RTL und ntv. Er könne nur sagen, dass es die Debatte um die sogenannte Laborthese bereits vor fünf Jahren gegeben habe.
Klarheit über Ursprung hätte keinen Einfluss auf Massnahmen gehabt
Spahn wies darauf hin, dass auch ein früherer Befund über den Virusursprung keinen Einfluss auf die Corona-Massnahmen in Deutschland gehabt hätte. «Das Virus war, wie es war und hatte die gesundheitlichen Schäden verursacht, die es verursacht hat.» Sollten sich die Berichte bewahrheiten, hätte das Folgen für die Aussenpolitik und Schutzmassnahmen in der Forschung, sagte Spahn. «Für die Massnahmen im Land hätte es aber natürlich keinen Unterschied gemacht.»
Aufklärung durch chinesische Regierung blockiert
Direkt nach dem Regierungswechsel von Merkel zu Olaf Scholz (SPD) habe BND-Chef Kahl das Kanzleramt erneut informiert. Das für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständige Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestages sei hingegen nicht unterrichtet worden, ebenso wenig wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO).
Die Frage der Herkunft des Virus ist bis heute ein Rätsel. Die Aufklärung wird erschwert, weil die chinesische Regierung Untersuchungen der WHO blockiert. Diese hat bereits vor Jahren alle Staaten aufgerufen, ihr zur Verfügung stehende Informationen zur Verfügung zu stellen.